Gary Gary Glitter


Er kam durch dichtes Trockeneis und ließ Tschaikowskis „1812“-Overtüre als Fanfare ertönen, genau an der Stelle, wo der berühmte Kanonendonner einsetzt. Dann arbeitet sich der Scheinwerfer langsam am glitzernden Mantel hoch — während ER. mit dem Rücken zum Publikum, auf der letzten Stufe einer kleinen weißen Showtreppe ausharrt.

Die Band legt los. Alles Mafia-Typen, die aus dem finstersten Londoner East End kommen könnten. Ein Saxophonist mit Sonnenbrillen, ein Pianist im Nadelstreifen-Anzug, ein Bassist, ein Gitarrist mit einer dieser legendären sternförmigen Gitarren aus jener Epoche, als 10 cm Plateausohlen und glitzernde Glockenhosen in der Männermode noch Pflicht waren.

Die Menge tobt! Und der Scheinwerfer zeigt nun den Meister in seiner vollen Größe. Das zahlende Publikum betrachtend, mit diesen bekannten, stechenden Augen, zuckt Gary Glitter mit seinem Kopf, ganz so. wie es Presley immer getan hat. wenn er ganz besonders unberechenbar aussehen wollte.

Singen? O nein. Gary begnügt sich vorerst damit, sein Auditorium unverschämt zu mustern. Er sieht gemischtes Volk: Ältere Herrschaften, Paare, Veteranen aus der Plattenindustrie, die sich in schon etwas gemäßigteren Tanz-Schritten eine Stunde lang zu der Musik von Mud, Sweet, David Bowle, und T.Rex auf das nostalgische Ereignis eingestimmt hatten. Aber auch junge Leute sind gekommen, meisten männlich und von rauher Natur, jener Typus, der lauter brüllt und mehr Fäuste in die Luft schlägt als der durchschnittliche Besucher bei einem Judas Priest-Konzert.

Gary zittert mit seinem silbrig schimmernden Unterkörper. Zehn Minuten, und kein Ton kommt über seine Lippen. Die Menge gröhlt derweil vereint „Rock ’n‘ Roll-Part 1“, und da schließlich steigt auch er ein. Intoniert seine Hymne! Sein Lebenswerk! Und er straft sie alle Lügen, diese bösen, bösen Zeitungsberichte, die die britische Öffentlichkeit mit Schauergeschichten über Selbstmordversuche und schwerem Alkoholismus zu schockieren wissen.

Jetzt, wo er einmal losgelegt hat, ist er nicht mehr zu bremsen. Wir kommen in den Genuß seiner Greatest Hits, unterstützt von wild gestikulierenden Armen und etwas linkisch aussehenden, nichtsdestotrotz effektiven Fußtritten in die Luft.

Wild fuchtelt er mit seinem Mikroständer durch die Gegend, bis er hinter dem Vorhang entschwindet, um nach zehn Minuten in neuen Gewändern auf der Bühne zu erscheinen. „It’s Good To Be Back“ singt er. Fürwahr.