George Michael: Tokyo, Budokan


Es ist schon unglaublich, daß dieser Mann, der aussieht wie eine italienische Hausfrau und tanzt wie ein englischer Halbstarker in einer spanischen Touristen-Disco, es trotzdem schafft, als cooler Popstar gefeiert zu werden. Alle mögen ihn, sogar die, die ihn eigentlich nicht mögen. Und die Japaner sind völlig vernarrt in ihn.

Das berühmte Budokan sieht an diesem Abend aus wie ein achteckiges Raumschiff und ist geschäftiger als ein orientalischer Bazar. Männer mit Megaphonen versuchen die 8000, meist weiblichen Zuschauer, unter Kontrolle zu halten und sie, vorbei an Sushi- und George Michael-Merchandise-Ständen (neben den üblichen T-Shirts werden auch Videos und CDs verkauft, die Kids haben schließlich Geld: die billigste Karte kostet stolze 75 DM) zu ihren Flughafen-Wartelounge-ähnlichen Sitzen zu lenken. Es ist Michaels erste Tour hier seit drei Jahren, und alle drei Konzerte waren augenblicklich ausverkauft.

Die Show beginnt mit einer Stunde Verspätung erst um 19 Uhr (in Japan spielt man ohne Vorgruppe, die Konzerte müssen nach dem Gesetz (!) um 20.30 Uhr beendet sein). Schuld war der komplizierte Bühnenaufbau: ausgeklügelte Lichteffekte, Nebelmaschinen, spezielle Projektoren und Laser, die während der ganzen Show einen visuelles Spektakel aus Symbolen des Faith-Albumcovers bzw. den Worten. Sex, Lust & Love erzeugen.

Als endlich Michael, bekleidet mit einer glitzernden Jeansjacke Marke Sam Fox, die gigantische Bühne betritt und sich in die erste Macho-Pose wirft (sein Designer-Stoppelbart ist zum Fühlen nah, der Geruch seines Eau De Colognegetränkten Schweißes geht bis in die letzte Reihe), löst sich ein Schrei aus der Menge des brodelnden Budokans.

Obwohl er äußerlich wirkt wie der „Pop-Bimbo“ schlechthin, mit kreisendem Hinterteil und makelloser Föhnfrisur, hat der Mann eine Stimme, die über jeden Zweifel erhaben ist: eine volle, sinnliche, perfekte Pop-Stimme, die alles umfaßt, von Stevie Wonder und Prince bis David Cassidy, eigentlich alle besseren Pop-Sänger, die einem einfallen. Getragen wird sie von einem hervorragenden Soundsystem und einer routinierten Band (zwei Keyboards, Bläsern, Gitarre, Drums, Baß und einer Back-Up-Sängerin, die auf Plattformen am Bühnenrand postiert sind).

Das Publikum (das es offensichtlich versäumt hat, jene Berichte zu lesen, in denen japanische Zuschauer als sittsam und freundlich lächelnd beschrieben werden) ist kurz vor dem Ausrasten. Am besten kommen die alten Wham!-Songs und die dramatischen, vor Verlangen triefenden Titel wie „I Want Your Sex“ (die erste von zwei Zugaben), bei der Michael vor einem Laser-Bild eines bestrapsten Frauenpos in einem Kreuz aus roten Lichtstrahlen und wabernden Nebelschwaden posiert.

Meine privaten Favoriten sind nichtsdestotrotz die Coverversion von Stevie Wonders „Love’s In Need Of Love Today“ und das noch gelungenere „Lady Marmelade“ von Labelle, das letzte Stück des Abends.

Garry Glitter hätte es nicht besser machen können. Gary Glitter hatte bestimmt nicht besser singen können. Eine tolle Show, in jeder Hinsicht.