GO GO GO GOS


Unbeschwerter Pop-Beat von fünf Beauties aus Kalifornien: Die GoGos spielten im Vorprogramm von Police.

„Ah, die Go-Go-Girls. Der Tisch ist hier drüben.“ Die Ober des Hotels können sich noch immer nicht an Gäste aus dem Rock’n’Roll-Business gewöhnen. Und als die fünf bunt und witzig zurechtgemachten Amerikanerinnen auf den Tisch zusteuern, drehen sich alle im Restaurant wie ein Mann um. Die Gogos gehen mit Grandezza darüber hinweg.

Die muntere Atmosphäre am Tisch läßt sich mit der eines Klassenausfluges vergleichen, leicht überspielte Nervosität und fröhliche Aufregung. Am Abend findet der erste Deutschlandauftritt statt, sie spielen als Vorprogramm von Police. Zunächst muß aber erstmal bestellt und übersetzt werden (Was zum Teufel heißt „Geschnetzteltes mit Rösti“?) Zur Gruppe: Die blonde wuschelmähnige Sängerin Belinda Carlisle zeigte sich der L.A.-Öffentlichkeit im damals einzigen New Wave Club „Mask“, das war im Mai ’77. Dann erschien Charlotte Caffey. Bislang hatte sie dem Klavier mittels klassischer Noten Töne entlockt, was sie jedoch nicht daran hinderte, sich bei den Gogo’s als Leadgitanistin zu bewerben. Mittlerweile schreibt sie mit Rhythmusgitarristin Jane Wiedlin nahezu alle Songs.

Im Frühjahr ’78 trat Drummerin Gina Schock aufs Tapet. Gina sammelte praktische Erfahrungen bei einer Untergrundband namens „Edie & The Eggs“. 1979 nach unzähligen Clubauftritten längst der kalifornischen Küste schließlich die große Chance: 60 Gigs als Vorprogramm von Madness.

Wie es denn dazu kam, daß die Mädchen auch noch in England als Support der Specials und von Madness spielten erklären sie später selbst. Bassistin Kathy Vaentine ergänzte das Quintett zu einem heutigen Idealzustand. Übrigens spielte sie früher bei Girlschool.

Ginger Canzeroni, kluge und entschlossene Managerin der Gogos, erklärt in ihrer raschen und sachlichen Art, wie es zur Europa-Tour mit Police kam. Die Gründe sind wie so häufig banaler, weil geschäftlicher Natur:

„Stuarts (Copeland) Bruder Miles besitzt das Label „Illegal Rekords“, das die Gogo’s unter Vertrag genommen hat. Die Gogo’s auf diese Weise zu fördern, ist sicher ein geschickter Schachzug von ihm.“ So ist das. Auf dem Cover ihrer LP THE BEAUTY AND THE BEAT findet sich eine Widmung an die Specials und Madness:

„Weil sie uns spontan gebeten haben, nicht nur ihre US-Tour mitzumachen, sondern auch nach England zu kommen. Du weißt, wie sowas manchmal ist, du sagst: ‚Ja, schön‘ und glaubst nicht daran. Aber es ist tatsächlich passiert. Das war im Dezember 79.“

„Wir hatten überhaupt keine Unterstützung von einer Firma oder so etwas Ähnlichem. Wir verkauften unsere Autos, gaben unsere Appartements auf, Ginger verkaufte ihren gesamten Schmuck und das war’s.“ Sie hielten durch.

Wie war das denn, vor einem Skinhead-Publikum zu spielen?

„Die waren auf jeden Fall nie sauer und blieben immer höflich“ flötet Jane, die braunen Riesenaugen weit aufgerissen. Überhaupt – bemerkenswert schöne Augen haben diese California Girls, fast alle meergrün und durch den sicheren Griff in einen kosmetischen Regenbogen markant betont. Ich schweife ab, wie kam es zu dem Vertrag mit dem cleveren Herrn Copeland?

„Wir waren eine populäre Liveband zu Hause. Als das Interesse der Firmen an uns wuchs, haben wir uns umgesehen. Bei Miles fiel uns die Entscheidung leicht, weil er echtes Interesse an uns zeigte. Wenn Firmen dir mit 200000 Dollar Vorschuß vor der Nase rumwedeln ist das zunächst sehr reizvoll. Irgendwann mußt du das aber wieder reinbringen – und dann bestimmen die Firmen wie.“

Die Mädchen sind, wie anfangs beschrieben und auf den Fotos zu sehen, zweifellos hübsch. Haben sie nicht Angst, als attraktive Augenweide mißverstanden zu werden?

Jane tupft sich den leuchtend roten Mund mit der Serviette ab:

„Unsere Musik ist zu stark, als das wir musikalisch nicht überzeugen könnten, besonders auf der Bühne. Wir haben Power, wir können etwas.“

Charlotte fügt mit blitzendem Blick hinzu: „Entscheidend ist, daß wir nie verleugnen, Mädchen zu sein, daß wir Lust haben, sexy rumzulaufen, weil es uns Spaß macht.“

In Amerika verkauft sich das Album der Gruppe wie warme Semmeln. Standardfrage: Hat der Erfolg ihr Leben verändert?

Belinda: „Natürlich ändert sich etwas. Wenn du nach Hause kommst, gehst du mit deiner Zeit selbstbezogener um als früher. Es ist nicht mehr dieses „Ausgehen-und-Leute-treffen“. Schließlich stehst du unter größerem Streß, da ist es schwierig, mit Gefühlen umzugehen.“

Kathy: „In einem Hotel ging irgendwann mal die Alarmanlage an, weiß der Kuckuck warum. Ich stand plötzlich mitten im Zimmer und heulte. Zu komisch, auf Alarm fing ich an zu heulen.“

Am Abend ist das Publikum wahrlich baff. Die meisten haben nicht mit den Mädchen gerechnet und wenn, dann sollen sie gefälligst möglichst schnell spielen, denn alle wollen (Ijeeeeeh-Ijooooh) Police, Police, Police. Die Gogo’s spielen wirklich gut, Belinda singt und springt ganz wundervoll, das zierliche Fräulein Schock entwickelt einen erstaunlichen Wumm am Schlagzeug, die Gitarren klingen klar und sicher. Von Stück zu Stück werden die Gogos besser, aber auch verwirrter. Sie können nicht wissen, daß es schon toll ist, wenn das Hamburger Publikum in der grauenvollen Ernst-Merck-Halle nicht buht und teilweise brav applaudiert. Sie sind enttäuscht, Tränen werden verdrängt.

Bei der anschließenden Verleihung der -zigsten Goldenen an Police sind sie aber schon wieder obenauf. „Sie müssen das lernen“ (Ginger). Charlotte erkundigt sich „nach dem netten jungen Mann da drüben“. Kathy macht Witze, Belinda suckelt ein bißchen müde an ihrem Sekt und Jane will tanzen.

Ein Gogos-Auftritt in einer kleineren Halle und vor Publikum, das nicht auf goldene Headliner fixiert ist, müßte eigentlich für alle einen Mordspaß bringen! Vielleicht beim nächsten Mal!