Im Zentrum des rasenden Stillstands


Enthemmte Teenager! Punkrock! Kapitalismus - kritischer Diskurs! Die Goldenen Zitronen touren durch den Südwesten der USA, betreiben dabei "interessante Sozialstudien"- und bleiben skeptisch: "Dieses Amerika beeindruckt einfach nicht so richtig."

Hier werden Menschenleben abkassiert. Du dein Plätzchen, und dann wirst du abkassiert.“ Schorsch Kamerun starrt müde aus dem Busfenster auf das vorbeiziehende Meer von trostlosen Wohnschachteln und wird gerade von einem kleinen – wie das sein Kollege Ted Gaier nennt – „Verachtungsschub“ geschüttelt. Nicht dem ersten und nicht dem letzten. Seit fünf Tagen sind Die Goldenen Zitronen, mit ihrem antikapitalistischen Ethos und deutlich vertretenen politischen Standpunkten seit anderthalb Jahrzehnten die linke Institution der deutschen Indie-Szene, in einem silbernen Nightliner mit heftigen Airbrush-Flanken auf Tournee durch das Mutterland des Turbokapitalismus. Zusammen mit dem HipHop-orfrf couple Grand Büffet und der hart arbeitenden, aber hoffnungslosen Rockband Custom On It bestreiten sie das Vorprogramm von Wesley Willis, einem schwarzen sanften Riesen mit schizophren-autistischer „condition“, einem großen Herz für weißen Rock und einem noch größeren Keyboard, zu dessen programmierten Sounds er Lieder über Bin Laden, Batman und seine Lieblingsbands singt. Die Kids lieben ihn, wohl vor allem wegen seiner explicit lyrics. „I’m not being exploited. I’m going on tour for the money, and I make it. And I’m having fun. I’m a rock star“, sagt Wesley und zählt seinen Packen Dollars. Die Vier von Custom On It sind in Los Angeles von Bord gegangen – Ted Gaier ist froh: „Biker Boots und leere Jack Daniel’s-Flaschen im Bus!“, ätzt er hämisch, „das kann ja wohl nicht angehen, was da für Klischees aufgefahren wurden. Dass wir mit ’ner Band von Langhaarigen auf Tour sind. Das geht nicht, da sind ideologische Gräben dazwischen, die sind einfach unüberwindbar.“

Gaier, stets mod-like sharp gekleidet, in seiner kultivierten, ein wenig augenzwinkernden Arroganz bisweilen unnahbar wirkend, dabei selten einer gesellschaftspolitischen Diskussion abgeneigt, und Kamerun, nie restlos fröhlich, – oft wirkt er auf dieser Reise wie ein skeptischer Junge, der sich für einen idiotischen Rummelplatz begeistern soll-, dabei ausgestattet mit trockenstmöglichem Hanseatenhumor, gründeten Die Goldenen Zitronen 1984 in Hamburg. Ein Spiel mit Selbstironie und Punk-Klischees charakterisierte die Band, die sich über Straight Edge und 100-Prozent-Punk-Gehabe genauso hermachte wie über Hippies, Rock-Attitüden und die bürgerliche Gesellschaft. Nach dem Quasi-Hit „Der Tag als Thomas Anders starb “ zu ihrem Entsetzen kurzzeitig als Funpunker gehandelt, begannen Die Goldenen Zitronen, ihr Profil zu schärfen. Texte wurden eindeutiger politisch, die Musik sperriger. Im Lauf der 90er Jahre wandelte sich die Band zu einer Art offenem Kollektiv (Kern: Schorsch Kamerun, Ted Gaier, seit 1994 Bassist/Keyboarder Thomas Wenzel, seit 1990 Schlagzeuger Enno Palluca), das in Zwei- bis-drei-Jahres-Abständen grandiose Anti-Pop-Platten mit beißenden, hoch codierten Texten veröffentlicht. Die Zitronen sind für keinen deT Beteiligten eine Vollzeit-Angelegenheit. Kamerun macht Soloplatten, inszeniert Theaterstücke und ist Betreiber des Golden Pudel Club. Ted Gaier hat sein Bandprojekt Les Robbespierres, spielt Theater, ist Mitgründer des Buback-Labels und des politischen Diskussions- und Aktionszirkels Butt Club. Der stille, durch nichts aus seiner stoischen Ruhe zu bringende Thomas Wenzel ist Mitglied der Sterne und spielt mit Cow Countrymusik. Mense Reents – sonst bei Egoexpress und Stella – ist seit dem letztjährigen Album „Schaffott zum Fahrstuhl“ die für Elektro-Beats zuständige Zitrone. Der 32-Jährige mit dem Bubengesicht ist der Jüngste in der Band, der er einst als punkinfizierter Teenager „auf Tourneen hinterhergefahren“ ist. Zum ersten Mal auf Tour mit den Zitronen ist Stephan Rath, der den verhinderten Palluca am Schlagzeug vertritt. Stephan, 34, arbeitet seit Jahren bei Indie-Labels, jetzt bei L’Age D’Or, hat aber immer auch Musik gemacht. EristGaiers Robbespierres-Partnerund seit 2001 assoziierte Teilzeit-Zitrone. In der Reisegruppe ist er der mit dem engsten Bezug zu den USA, er war schon oft hier, hat in einer Anwandlung von Trash-ophilie einst sogar in Las Vegas geheiratet – die Ehe ist mittlerweile geschieden. Stephan steht dem „American Way“ kritisch, aber weit entspannter gegenüber als seine Kollegen. „Unser vallamerikanisierter Drummer müsste das wissen“, stichelt Ted Gaier, wenn mal wieder eine Ami-Gepflogenheit Fragen aufwirft.

Komplettiert Wird die Entourage durch den Kölner Dokumentarfilmer Jörg Siepmann und seinen Kameramann Hajo Schomerus, den ME-Reporter und – Tal. Tal ist der Boss hier, Busfahrer, Tourmanager, Roadie,Technikerund Manager/Caretaker von Wesley (mit dem er sich ständig litualisiert-freundschaftliche Beschimpfungsduelle liefert: „Cool your engine, jackass!“) in Personalunion, ein mit allen verfügbaren Wassern gewaschenes On-the-road-Viech, das geneigt ist, eine entspannt-professionelle Atmosphäre im Bus zu verbreiten, bei Abweichungen von seiner Agenda aber auch komplexer formulierte Anfragen schon mal mit einem bündigen „No!“ beantwortet. Die autoritätsallergischen Zitronen wissen immer noch nicht so recht, was sie von dem auf seine „bus rules“ pochenden Resolutor halten sollen.

Tag eins war Dienstag in San Francisco: Frieren in der unbeheizten Garderobe und Noch-nicht-warmwerden mit sich und dem US-Publikum vor der rockgeschichtsträchtigen Kulisse der Great American Music Hall. Nach dem mondänen Auftakt dann Bakersfield, das Neheim-Hüsten Kaliforniens: bleiche Emo-Kids und selbst gemachte Punk-Frisuren im klammen Keller von „Jerry’s Pizza &. Pub“, einem ungemütlichen Zwitter aus Pizzeriaund Rockkneipe. Den Abend eröffneten die sehr intensiven Lokal-Heroen The Kill!: Atonaler Noise-Terror mit Fuzzbass, Kreischorgel, Kamikaze-Schlagzeug und einem sehr überzeugenden Selbsthass zur Schau stellenden Sänger. Beunruhigende 16-Jährige. Total meltdown um halb acht Uhr abends. Willkommen in der amerikanischen Provinz. Hier aufzuwachsen ist sehr offensichtlich kein Kindergeburtstag.

Ein ähnliches Bild an Tag drei: Las Vegas, fernab der Lichter des Strip, in einem hässlichen Betonbau das „Tremorz“, kein Club, sondern ein niedriger Raum mit Neonlicht, Linolboden, Bühne und Toiletten, Getränke gibt’s keine. Nach dem Gig ging es in die Stadt, ein bisschen in Richtung Lichtermeer spaziert, dann traten Thomas, Ted und Mense den Rückzug an. Der Rest endete an einer doofen, überteuerten Bar im Cesar’s Palace. Na denn: Viva Las Vegas.

Und gestern: Los Angeles, die Knitting Factory in Hollywood, Hochglanz-Musikclub. Schorsch wollte nach dem Soundcheck partout den Sunset Strip zum Meer runterfahren. Eine halbe Stunde steuerte er einen voll besetzten Minivan durch immer tristere Umgebung, dann gab er auf. „Diesesganze Amerika beeindruckt auch nicht richtig, das ist eben überhaupt nicht imponierend“, urteilt er später. „Las Vegas zum Beispiel. Oder der Sunset Boulevard: Gut, da sind die fünf berühmten Rockbars, das Whiskey A GoGo. Aber das sieht halt aus wie überall. Das ist dann auch gut zu kapieren: Wie wenig das alles ist. Erstaunlich.“ Für Schorsch und Ted ist diese Reise in den Bauch der USA auch eine Reise auf der Spur lang gehegter und gepflegter Vorurteile. Einige relativieren sich: „Von diesen Klischees wie Oberflächlichkeit habe ich hier bei weitem nicht so viel mitgekriegt wie etwa in New York“, erzählt Ted später, „ich hatte an jedem Abend super Gespräche mit sehr guten Leuten. Das Interesse der Leute ist erstaunlich groß.“ Und fügt grienend hinzu: „Mein dogmatischer Antiamerikanismus und meine europäische Arroganz ließen sich sogar nicht durchziehen“ – andere werden bestärkt. Schorsch: „Ich bin schockiert, in welchen Verhältnissen die Menschen leben. Wie das alles aussieht. Die Angebote der Freiheit sind total festgelegt. Und mit welcher merkwürdigen Geduld die Leute ihr Schicksal hinnehmen.“

Etwas Entspannung steht bevor. Das „Sacred Grounds“ in San Pedro ist ein Cafe mit angenehmer Atmosphäre und einem Publikumsmix von der alten Dame im Rollstuhl bis zum voll dekorierten 77er-Style-Punk. „Hello. We are Die Goldenen Zitronen, The Golden Lemons. From Hamburg, northern part of Germany“, begrüßt Schorsch die auf Couches und am Boden sitzenden Leute. „We haue a Standard question for you“, übernimmt Ted mit Kajal um die Augen: „Do you believe in Rock’n’Roll?“, ruft er ins Mikro – den pavlovschen „Yeeeah! „-Reflex des Publikums kontert Kamerun mit einem kühlen „We don’t!“. Wie schon die Tage zuvor funktioniert dieses kindische Intro prächtig, und wie die Tage zuvor explodieren Die Zitronen förmlich: Ted drischt seine kreischend verstärkte Akustikgitarre {„Teds Zerstörer-Nummer“, Mense), Thomas‘ auf dem Flug beschädigte Orgel brät aus dem letzten Loch, Stephan tanzt keithmoonesque über seinem Schlagzeug, und Schorsch schlakst und biegt sich, so viel ihm die Bühne Raum lässt. Um ihre Inhalte ansatzweise zu transportieren, haben sich Ted und Schorsch kurze Erläuterungen in stolperndem Englisch zurechtgelegt. „This song is about our Bundeschancellor Schröder, Tony Blair in Britain and your president, George W. Bush: ‚Monsters rule this world‘!“ greift dabei den punkenden US – Kids freilich etwas mehr als Teds Ansage zu „80 Millionen Hooligans“: „This is about racism in Germany in the beginning of the 90s after the reunification.“: Wovon redet dieser Kraut da?

Nach dem Konzert nimmt der Abend vergleichsweise party-animalische Züge an: Erst laden sich drei fröhliche Teenie-Mädchen aus der ersten Reihe in den Bus ein („Don’t you like it here? „Ted: „It’s good social studies for us.“) und nötigen den kühlen Hanseaten wahre Charme-Höhenflüge ab. Vor allem der knuffige Mense wird umringt („Ich als kühler Ostfriese fand das irgendwie sehr angenehm, dass einfach mal Menschen so auf dich zukommen „, grinst er später) -, Schorsch hingegen scheint es irgendwann unbehaglich zu werden, er geht rüber ins Cafe, „ein Foto von Wesley machen“. Nach ein paar Bieren im euphemistisch benannten „Yacht Club“ nebenan laden – um zwei ist Zapfenstreich in kalifornischen Bars – dann ortsansässige Kids ins „Punk Rock Manor“, ein zum „Hangout“ umfunktioniertes Wohnhaus gleich in der Nähe. Es gibt Elvis Costello und Dosenbier.

Am nächsten Vormittag kommt man spät vom Fleck, weil alle noch in dem für Wesley angemieteten Hotelzimmer duschen wollen. Es nieselt, aber die Stimmung ist entspannt- nicht zuletzt dank Grand Buffet-Rapper Lord Grunge, einem charismatischen 23-jährigen Hünen mit tourgestähltem Sinn für abseitigen Humor, der mit seiner gutartig jovialen Art allmählich zum verbindenden Element der zusammengewürfelten Busbesatzung wird. Sein spitzbärtiger Partner Jackson, außerhalb der Bühne ein schweigsamer Eigenbrötler, dazu wandelndes Mainstream-Pop-Kompendium, hat eine Cassette von „Glass Houses“ eingelegt, „Billy Joels vielleicht härtestes Album“, wie er erklärt – er kennt es auswendig. „Was wir uns alles antun!“, stöhnt Ted. Stephan zuckt die Schultern: „Gehört alles zum Kultur-Aufnehmen“. Joel sing „It’s All Rock’n’Roll To Me“. „Das ist er, dieser fatale Song!“, schimpft Ted, „dieses amerikanische Alles-ist-Entertainment-Ding: nichts ist ernst, nichts ist irgendwie politisch.“ Tal fährt an einer Ausfahrt ab – der lange versprochene Abstecher ans Meer. Viel Zeit ist nicht, es dämmert schon, aber Schorsch kommt endlich zu einem kurzen Strandlauf.

San Diego Rock City, Home of Iron Butterfly. Vor dem Konzert in der „Casbah“ gibt’s Setlist-Diskussion und ungutes Burger-Essen bei Denny’s. „Ich verstehe jetzt viel besser, was das damals für ein Gefühl gewesen sein muss, als StraightEdgeaufkam“, brummt Schorsch, „Straight Edge und die DeadKennedys kann ich jetzt viel besser verstehen.“ Auf dem Rückweg erzählt Mense von seinem Hörsturz Ende letzten Jahres. Einen Monat lang musste der „Musikjunkie“ganz aufs Basteln verzichten, dann ging derTinnitus zurück. Jetzt, bei dem Konzertlärm, wird es wieder schlimmer. „Das schockt mich schon irgendwie. Ich möchte nur mal wissen, wie das wird, wenn wir jetzt die neue Egoexpress-Platte machen „, meint er besorgt. .Aber man muss wohl lernen, damit umzugehen. Hat auch sein Gutes. Ich hab zu rauchen aufgehört. Und mach jetzt sogar Sport.“ Nach dem Casbah-Auftritt gönnt er sich später aber doch eine geschnorrte Zigarette.

24 Stunden später. Tempe, Arizona, Ausnahmezustand. Wir sind so spät dran wie nie, in „Nita’s Hideaway“, einer Betonbude in einer undefinierbaren Null-Gegend, spielt schon die lokale Vorgruppe, und hinter einem Gitterzaun stehen hundert Tattoo-Träger, die dem einfahrenden Bus zujohlen. This is your crowd. „This is nobody’s crowd“, brummt Lord Grunge düster, „this is scumbags. „Er hat lange in dieser Gegend gewohnt, er muss es wohl wissen. „Heute müssen wir echt hart sein“, ahnt Ted. Ja“, grinst Mense, „die wollen richtig gefickt werden.“ Beim Konzert in dem vor verschwitzten Punks berstenden Club ragen den Zitronen dutzendweise Mittelfinger entgegen – die Band hat sichtlich Spaß daran. „Die sind ja nicht gefährlich“, meint Ted nachher belustigt, „Pussies. Wir haben schon vor wo Skins gespielt, das ist was anderes.“ Nach dem Auftritt entlädt sich im Bus die aufgeheizte Stimmung in einem plötzlich aufwallenden Streit zwischen Schorsch und Ted. Es geht offenbar nicht zum ersten Mal – um die Lautstärke von Teds Gitarre. „Ich hör mich selbst gar nicht mehr, nur diese schreiende Gitarre“, schimpft Schorsch. „Das ist nun mal mein Sound“, bleibt Ted stur, „der wird halt einfach anders, wenn ich den Overdrive runterdreh.“ Die beiden schaukeln sich hoch, dabei scheint Ted das banale Technik-Thema schier unangenehm. „Ich hab keine Lust, für die Gitarre zu argumentieren!“, schimpft er gequält, als fürchte er, in Jörgs Film als gackernder Mucker verkauft zu werden. „Zwei Kameras filmen so eine langweilige Diskussion!“

Dann macht er sich Wasser warm, um seine aufkeimende Nagelbettentzündung zu behandeln. Stephan verbindet derweil die offenen Blasen an seinen Fingern. „Ja, tut weh. Aber ich bin ja Rock’n’Roll“, grient er, „auch wenn die anderen das nicht so gern hören.“

„El Paso! Dance like a sexy donkey!“, ruft Schorsch. Per letzte Auftritt. Hinter uns liegen drei Tage mit Truckstop-Duschen, Busfahrten, einem ausgedehnten Spaziergang von Mense, Schorsch und den Filmern auf einem Berg neben der Raststätte – sie kommen ganz entrückt zurück, ein Offday im angenehmen Tucson mit Plattenläden, Waschsalon-Besuch, Cafes, endlich mal gehaltvollem Essen im „Hotel Congress Restaurant“ und einem etwas von Technikproblemen geplagten Auftritt am Abend darauf im „Hotel Congress Club“. Und wieder Truckstop und Busfahrt, mit Amirock von Tal, weil Ted seine Thelonious-Monk-Cassette verlegt hat. Langsam reicht es, man spürt Müdigkeit an Bord. Zwischen den Songs in der „Cantina La Tuya“, einer Rockbar mit Budweiser-Wimpeln und Playboy Channel überm Tresen, holen die Herren Antikapitalisten gutgelaunt Gebote für Thomas‘ halbschrottige Hohner-Orgel ein, die der nicht mehr mit nach Deutschland zuriickschleppen will („If you’re interested in a masterpiece of German engineering, you can come to me after the show“). Noch einmal endet „80 Millionen Hooligans“ in einem furiosen Noise-Jam – das bunt gemischte Publikum befolgt Schorschs Aufforderung. Ein letztes Mal warten, bis der Auftritt von Wesley Willis vorbei ist. Ein letztes Mal Abbau und Einladen. Und dann war es das. Tal fährt uns zu einem Motel nahe dem Flughafen. Viel Abschiedsgedrücke, E-Mail-Adressen-Austausch, Erinnerungsfotos, „stay in tauch“. Dann gleitet der silberne Wal auf den Highway zurück.

Letztes Schlaglicht: Mexiko. Mit drei Einheimischen, die Ted am Vorabend kennen gelernt hat, geht es rüber nach Mexiko. El Paso liegt direkt an der Grenze, auf der anderen Seite erstreckt sich Juarez, Erste und Dritte Welt sind getrennt durch den zum Rinnsal geschrumpften, wie ein Verteidigungswall befestigten Rio Grande, die einzige Verbindung ist eine Brücke mit Dauerstau und rigider Passkontrolle. Ein paar Stunden wandert das Grüppchen durch das bunte Durcheinander der stinkenden, lauten, überfüllten Stadt, ein krasser Gegensatz zu den stereotypen US-Formaten der letzten zehn Tage. Schorsch ist auch noch am nächsten Tag wie vor den Kopf gestoßen. „Das ist Wahnsinn. Nirgendwo sieht man diese Klassifizierung krasser – wie die USA zumachen gegen ein anderes System. Auf der einen Seite die US-Bürger, auf der anderen die Mexikaner, dazwischen diese DDR-mäßige Grenze. Die wissen: Wir kommen da nicht rüber. Da merkt man, wie irre gefestigt dieses System funktioniert. Wie wenig Amerika mit ’nem anderen Außen zu tun hat. Was wir über Amerika wissen, wissen die umgekehrt über uns überhaupt nicht“ Schorsch hat dazugelernt in den letzten Tagen. „Ich fand diesen touristischen Blick interessant, aber eben auch, so eine USA-Analyse mit nach Hause zu nehmen. Wie das hierfunktioniert. Dieses Abgleichen beschäftigt einen ja auch in Europa, weil Amerika so ungeheuerpräsent ist. Das ist für jeden interessant. Muss einfach.“ Bis zum nächsten Verachtungsschub.