Jazz


1965 gegründet, ist AMM Englands langlebigste und ursprünglichste Improvisationsgruppe; eine einflußreiche Formation, die aber nie breitere Anerkennung fand- Ihr Einfluß reichte weiter, als man zunächst annehmen würde… so nannte zum Beispiel Syd Barrett die Band als Haupt-Ideenquell der ursprünglichen Pink Floyd.

Auf ihrer neuesten Platte, GENERATIVE THEMES (Matchless Recordings MR6), präsentieren sich AMM als Trio aus den Gründungsmitgliedern Eddie Prevost (Schlagzeug) und Keith Rowe (Gitarre, Elektronik und Cello) plus John Tilbury, einem Pianisten, der als virtuoser Interpret moderner Klassik gilt.

Zusammen spielen sie – völlig frei vort Klischees – improvisierte Musik der Spitzenklasse, die den Hörer in eine außergewöhnliche Klangwelt entführt. Bei derart perfekt ausgeglichener Gruppen-Kreativität ist es vielleicht ein bißchen unfair, ein einzelnes Mitglied besonders herauszustellen, aber ich muß sagen, daß ich mir nie ganz erklären konnte, warum Gitarrist Rowe nicht bekannter ist. Wenn er sich jemals entschließen würde, ein wenig kommerzieller zu spielen, könnte er Blood Ulmer und dem Geist von Jirm Hendrix den Rang ablaufen. Man bekommt diese Platte bei Jazz-Spezialisten oder per Post von Matchless, Sherlocks Cottages, Matching Tye, Nr. Harlow, Essex, England(6) Mit mehr als 50, auf eher obskuren Labels in aler Welt verteilten Alben (die meisten von ihnen sind recht erfreulich) ist Steve Lacy wahrscheinlich der produktivste aller New-Jazz-Musiker. Ich empfehle jedem, der diesen großartigen Musiker noch nicht kennt, EVIDENCE (Prestige MPP-2505) anzutesten, die Wiederveröffentlichung einer 1961er Session mit zwei Orrsette-Colemän-Begieitem. Trompeter Don Cherry und Schlagzeuger Billy Higgins.

Während dieser Periode benutzte Lacy die Nummern von Thelomous Monk als Sprungbrett für seine eigenen Ideen, aber in der Melodiefüh-:rung und im Rhythmus seiner Soli hört man bereits, wie sich sein eigener Stil, sein eigener Sound herausbildet.

Für mich definiert Lacy die Bedeutung des oft mißbrauchten Begriffs „Swing“. Erspielt mit einer liedhaften Einfachheit, wie Wellen, die ans Ufer plätschern.

Zudem klingt die Produktion von Esmond Edwards sehr modern, sie hat ein reiches, volles Spektrum. Tatsächlich kaum zu glauben, daß die Aufnahme 22 Jahre alt ist. (6) Kaum weniger produktiv als Lacy ist der oben schon erwähnte Don Cherry, der in diesem Monat auch auf CODONA 3 (ECM1243) auftaucht, Cherry’s dritter mitgeschnittener Zusammenarbeit mit Sitar/Tabla-Spieler Collin Walcott und Perkussionist Nana Vasconcelos.

Die Platte profitiert in hohem Maß von EGMs Studio-Knowhow, sie hat mehr von einer echten Produktion als von einem bloßen Session-Mitschnitt; musikalisch eine flott durchgezogene Weltreise, die alles mitnimmt, von der traditionellen japanischen Melodie bis zum raüroad-Blues. Schon mal Blues-Licks auf der Sitar gehört? Klingt recht überzeugend. Ein spielerisches, packendes Album. (5) JOURNEY’S END (ECM 1242) ist das letzte Album der im vorigen Jahr aufgelösten Miroslav Vitons Group und meiner Meinung nach gleichzeitig ihre beste Platte. Ich mag besonders die düsteren Stimmungen in „U Danaje U Prespurka“, mit dem der tschechische Bassist ein Volkslied seines Geburtslandes neu bearbeitet hat, und „Only One“, den klingenden Tribut an seinen Vater. John Surman liefert (dazu) durchgehend ergreifende und bewegende Beiträge auf Sopran- und Bariton-Saxophon und Baß-Klarinette. (4) Viele Beobachter der Szene scheinen Bill Frisell für den nächsten angesagten Jazz-Gitarristen zu halten. Er machte sich einen Namen als letzter in einer langen Reihe von ECM „Haus-Gitarristen“ und war (schon) mit Arild Andersen, Paul Motian, Jan Garbarek und Eberhard Weber im Studio. Auch wenn das grob klingt, ich halte ihn für einen schrecklichen Langweiler und sein erstes Solo-Album „IN LINE“ (ECM 1241) bestenfalls für ein wirksames Mittel gegen Schlaflosigkeit. Mit ihren Versuchen, „bedeutungsschwer“ zu klingen, ver wechselt die Platte einschläferndes Genudel mit Empfindsamkeit. Außerdem macht mich das naive und süßliche Cover echt krank, (1) Ein Solo-Album von Michael Gala«», SCENES (ECM 1245), bringt frische Farbe(n) in ECMs Kammermusik-Katalog. Galasso ist ein mir bislang unbekannter Violinist – und seine musikalische Konzeption ist mit Sicherheit weit entfernt von jeder konventionellen Vorstellung, was Jazz“ sein könnte. Trotzdem mag ich „Scenes“ sehr; die Musik klingt oft wie eine zivilisierte Version des „Minimalismus“ eines Steve Reich oder Philip Glass, gleichzeitig finden sich Anklänge an Bachs Stücke für Solo-Violine und überlegt eingesetzte Folk-Elemente. Reinhören. (5) „Aufgenommen an einem Sonntagnachmittag im Juni“ steht hinten aut dem tüellosen Album (ECM 1237) das das österreichische Duo Werner Pirchner (Vibes, Marimba) und Harry Pepl (Gitarre) mit dem amerikanischen Schlagzeuger Jack Dejohnette aufgenommen hat.

Wenn sie emals einen Nachfolger einspielen, sollten sie ihn vielleicht Freitagnacht aufnehmen, wenn alle Kneipen geschlossen haben und sich die Betrunkenen in den Straßen prügeln. An dem Album ist objektiv nichts verkehrt, ihm fehlt einfach jeder Sinn für Spontaneität; eine nette Jam-Session bei irgendjemandem zu Hause, wo es gar nicht darauf ankommt, das Feuer der Inspiration anzufachen. Nicht schlecht, Leute, aber das haben wir alles schonmal gehört. (3) Steve Lake