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Kritik zu „Roma“ auf Netflix: Magisches, schmerzhaftes Kino


Ein kleiner Schritt für Alfonso Cuarón, ein großer für die Menschheit: Film kann kaum magischer sein.

Sollten nach „Children of Men“, nach „Gravity“ oder „Y tu mamá también“ noch Zweifel bestanden haben, dass Alfonso Cuarón in einem Atemzug mit den ganz Großen des Weltkinos genannt werden muss, mit den Bergmans, Fellinis oder Truffauts dieser 1725Welt, dann dürften sie nach „Roma“ ein für alle Mal ausgeräumt sein. Mythisch war dieses ungewöhnlich tief empfundene Werk, 135 Minuten lang, in Schwarz-Weiß und komplett in Mexiko in spanischer Sprache mit unbekannten Schauspielern gedreht, bereits, bevor man auch nur eine einzige Szene gesehen hatte.

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„Roma“ ist der Film, den Cannes-Festivalchef Thierry Frémaux gerne in den Mittelpunkt seines diesjährigen Wettbewerbs gestellt hätte, wohl wissend, dass er die Goldene Palme gewonnen hätte, dann aber wegen der archaischen Regularien nicht konnte. Es ist der Film, der danach den Goldenen Löwen in Venedig gewann. Es ist der Film, mit dem Netflix um Respektabilität als ernst zu nehmendes Filmstudio buhlt. Ein Gamechanger in der Frage, wie Streamingdienste künftig in der Filmwelt wahrgenommen werden. Es ist aber auch ganz einfach Cuaróns ganz privater „Fanny und Alexander“, sein „Amarcord“, sein „Sie küssten und sie schlugen ihn“, es sind seine zum intimen Filmepos gewachsenen Kindheitserinnerungen. Ganz eigen und unverkennbar ist sein Film geworden.

Bilder, die man nie wieder vergisst

Er lässt uns Kino mit ganz neuen Augen erleben, mit seinen schier endlosen Trackingshots, die das Leben in Mexico City im Jahr 1971 aufsaugen und den Alltag in einer Weise etablieren, wie man es noch nie gesehen hat: Denn letztendlich ist „Roma“ auch eine Ode an die Frauen, die sein Leben mehr geprägt haben als der Vater, der sich zu einer Geschäftsreise verabschiedet und nicht mehr zur Familie zurückkehrt. Und so huldigt Cuarón glühend einer Hausherrin und dem indigenen Hausmädchen, die die Familie mit den vier Kindern zusammenhalten in einem Jahr, in dem auch die politische Landschaft in Mexiko aus den Fugen gerät. Die meisterhafte Mise en Scène vergisst man nie wieder, die Bilder brennen sich ein, wie sie sich vor 47 Jahren in den kleinen Alfonso eingebrannt haben, der sie seither mit sich herumgetragen hat, um sie uns nun zu zeigen.

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