Laibach, München, Incognito


Die nervtötenden Kirchenchoräle werden plötzlich übertönt von einem harten Techno-Bass. Der wummernde Beat geht über in bombastische Fanfaren – ‚The Final Countdown‘ ertönt, Europes Kitsch-Metal-Nummer mutiert zu einem furchterregenden Klangmonster, vorangepeitscht von einer Band, die martialisch ihr Publikum überrollt. Die Leute im Münchner Club ‚Incognito‘ stehen erst mal mehr erschrocken als staunend da, es braucht eine Weile, bis man die bei Bild und Klang vielfach angewendeten Verfremdungstechniken begreifen kann. Laibach stehen auf der Bühne, und das ist nichts für schwache Gemüter. Die slowenischen Soundtüftler haben schon immer provoziert, früher waren es vor allem ihre extremen Experimente mit elektronisch erzeugten Geräusche, heute sind es die bis zur Unkenntlichkeit verfremdeten Cover-Versionen von bekannten Hits aus allen Epochen der Rock- und Popgeschichte, mit der sie ihr Publikum traktieren. An diesem Abend fügt die Band zwei Komplexe aus ihrem multimedialen Schaffen zusammen: Zuerst kommen Songs aus ihrem vorletzten, ‚Nato‘ genannten Klang-Konglomerat (‚In The Army Now‘, ‚Dogs Of War‘). Dann macht die Band einen Einschnitt, um den Reigen der Stücke aus ihrem jüngsten Zyklus, dem der ‚Jesus Christ Superstars‘, eröffnen zu können. Sänger Ivan Novak, der seine Stimmbänder im alleruntersten Bassbereich quält, tritt inzwischen übrigens nicht mehr im Jägermeister-Outfit, sondern im stilechten Jesus-Look mit dunklem Rock und nacktem Oberkörper vors Mikrophon. Im Konzertsaal funktioniert das Laibach-Konzept. Auch wenn die Band mit viel Pathos einen Panzer aus symbolbefrachteter Kunstsprache um ihre gecoverten Songs baut, kommen am Ende doch mitreißende, powergeladene Metal-Nummern heraus, die den Vorlagen einen ganz neuen, zwiespältigen Sinn verleihen. Das verblüffte Publikum dankt mit heftigem Beifall – und bei der Zugabe verhalten sich Laibach dann sogar fast schon wie eine ganz normale Rockband: Sie spielen eine ihrer bekannteren Nummern, die Abwandlung des fürchterlichen Schunkelsongs der Ösi-Rocker Opus: In Führerpose steht Novak an der Rampe und brüllt ‚Life Is Life‘ – Laibach verstehen es wirklich, auch noch den abstrusesten Angsttraum Wirklichkeit werden zu lassen.