Lange nicht gesehen: Dr. Hook


Ob mit Discorennern à la 'Walk Right In' oder Schmachtfetzen wie 'Sylvia's Mother'- in den 70er Jahren landeten Ray Sawyer alias Dr. Hook und seine Medicine Show Hits in Serie. Bis Anfang der 80er Schluß war. ME/Sounds spürte den Mann mit der Augenklappe auf und erfuhr beim Interview überraschende Neuigkeiten.

Wir fallen mit der Tür ins Haus: Wie alt bist Du eigentlich mittlerweile?

59 Jahre!

Wie ging es Anfang der 80er Jahre mit der Karriere von Dr. Hook bergab?

‚Bergab‘ ist kein schönes Wort. Wir hatten in den ersten Jahren immer unheimlich viel Spaß. Nach ‚Only Sixteen‘ (1975) wurden wir auf eine kommerzielle Schiene geschoben. Da waren plötzlich Produzenten, die Studiomusiker anschleppten. Die haben dann die Songs eingespielt, und wir haben zwischen den Tourneen mal eben schnell die Vocals eingesungen. Das hat keinen Spaß mehr gemacht.

Aber dafür wart ihr erfolgreicher denn je …

Richtig. Ich habe aber immer gesagt: Wenn das Ganze in Arbeit ausartet und keinen Spaß mehr macht, dann höre ich auf. Und so ist es geschehen. Wir haben gewartet, bis der Vertrag auslief und uns dann getrennt.

Was hast du denn all die Jahre über gemacht?

Ich hab‘ mich um meine Familie gekümmert und mein Leben, wie man so sagt, neu geordnet.

Hast Du denn mit Dr. Hook soviel Geld verdient, daß Du nicht mehr arbeiten mußt?

Ich kann ganz gut von den Tantiemen der alten Hits leben. Allerdings brauche ich auch nicht viel Geld. Es war nie mein Ziel, reich zu werden. Wenn man den Dollarnoten hinterherjagt, wird man sie sowieso nie fangen. Wenn man aber eine Sache mit dem Herzen macht, dann fliegen einem die Dollars irgendwann von selbst zu.

Bist Du noch als Musiker aktiv?

Na klar. Zwar bin ich nicht mehr soviel unterwegs wie früher, aber ich komme immer noch locker auf rund 150 Tage im Jahr. Und demnächst erscheint eine neue Platte.

Ein nagelneues Dr. Hook-Album?

Ja und nein. Es ist mein erstes Album seit elf Jahren, eine Sammlung unserer alten Hits plus ein paar frischer Songs – auch die alten Songs haben wir komplett neu eingespielt.

Ist das nicht etwas phantasielos, die alten Kamellen wieder auszugraben?

Als man mich bat, dieses Album zu machen, war ich derselben Meinung. Aber Billy Bock von CMC Records in Dänemark hat mich überzeugt: Wir haben den Songs ein zeitgemäßes Gewand verpaßt und sie so auf den aktuellen Stand gebracht. Das ist eigentlich genau das, was ich auch auf der Bühne mache.

Hast du eigentlich noch Kontakt zu deinem alten Songschreiber Shel Silverstein?

Ich glaube, niemand hat Kontakt zu ihm. Er war schon immer ein seltsamer Kauz. Er verschwindet einfach. Zur Zeit versuche ich gerade, ihn zu erreichen, da ich für mein nächstes Album einen seiner Songs haben möchte.

Was für ein Song ist das?

Ich werde mich hüten, das zu verraten. Wenn er das mitkriegt, gibt er ihn mir nicht.

Wie sieht ein normaler Tag im Leben des Ray Sawyer aus?

Ich lebe in einem kleinen Dorf am y_ Strand, nördlich von Daytona, Florida. Dort gibt es einen Schlachter, ein Feuerwehrauto und drei Polizisten – und die kenne ich alle persönlich.

Hast Du eine große Familie?

Meine Ehefrau Linda und meine Kinder Michael, Marty, Amy und Cayce. Außerdem habe ich Enkel, die jüngste heißt Raylin. Die Kinder sind aber alle inzwischen ausgezogen, außer Cayce, der erst 17 ist.

Stimmt es, daß Cayce auch Musiker ist?

Richtig. Cayce hat sogar auf meinem neuen Album mitgespielt. Zuhause hab‘ ich im Keller ein kleines Studio. Dort jammen wir ab und zu – allerdings nur so zum Spaß.

Welche Musik hörst Du zuhause?

Ich liebe R’n’B und Jazz. Manchmal lege ich auch die alten Sachen aus den 50ern und 60er Jahren auf, die Clovers und die Drifters. Die aktuellen Charts-Geschichten haben mich noch nie interessiert.

Was ist denn neben Musik Dein Hobby?

Ich bin ein leidenschaftlicher Koch.

Verrätst du uns ein Rezept?

Oh! Southern Fried Chicken, das ist ganz einfach. Du nimmst ein Huhn, zerteilst es, fügst Salz und Pfeffer hinzu und wälzt es in Mehl. Dann brätst du es in heißem Öl. So kannst du auch Fisch zubereiten, am besten schmeckt es, wenn man den Fisch in Maismehl wälzt. Das ist ein typisches Cajun-Gericht. Ich bin ja dort, in der Nähe von New Orleans, geboren.

Was ist deine liebste Erinnerung an die alten Zeiten mit Dr. Hook?

Das war ein Konzert in Deutschland. Mitten in einem Song sehe ich, wie das Keyboard, eine riesige Hammond B 3-Orgel, langsam nach vorne kippt. Der Keyboarder hat noch versucht, es zu halten, aber es fiel mit einem wahnsinnigen Krach um – als ob eine Bombe eingeschlagen wäre. Daraufhin stand unser Drummer auf, stolperte, fiel in sein Drumset und knickte dem Gitarristen von hinten die Knie ein. Die ganze Truppe lag am Boden, die eine Hälfte wegen der Orgel, die andere vor Lachen. Wir haben uns beim Publikum entschuldigt, sind erstmal raus und haben eine geraucht. Nach kurzer Pause haben wir dann weitergespielt.