Michael Hutchence


Über den Erfolg von INXS will er sich gar nicht beklagen - in ein kommerzielles Korsett aber möchte das australische Rock-Idol deswegen nicht gepreßt werden. Warum seine Zweitgruppe MAX Q eine Kreativ-Kur ist, verriet Hutchence ME/Sounds-Mitarbeiter Hanspeter Künzler

Solo-Alben von Mitgliedern erfolgreicher Bands haben die Gewohnheit, hochgeschraubte Erwartungen auch nicht ansatzweise zu erfüllen. Michael Hutchence, Frontmann der stadionfüllenden Aussie-Stars INXS, hat in dieser Hinsicht allerdings keinerlei Bedenken:

„Erstens ist es kein Solo-Album, mit links und beiläufig aus dem Boden gestampft, damit man sich ein weiteres Landhaus kaufen kann, sondern letztlich das Album einer völlig anderen Gruppe. Und zweitens vermag das Material meiner Meinung nach auch ohne Querverweise für sich selber zu sprechen. „

In beiden Punkten hat er nicht so ganz unrecht. Unter dem wenig aussagekräftigen Namen Max Q („Bedeutet überhaupt nichts. Haben wir uns einfach so ausgedacht“) verstecken sich neben Hutchences schöpferischem Partner Ollie Olson noch ein gutes Dutzend hierzulande wenig bekannter Musiker aus Melbournes florierender Alternativ-Musik-Szene. Zusammen sind sie verantwortlich für elf beachtlich einfallsschwangere Stücke, in welchen sich Hutchences Naturtalent für den kommerziellen Ohrwurm verbündet mit einer bedrohlich hypnotischen Rhythmik und überraschend experimentellen Klangfarben – letztere geprägt vom unorthodoxen Einsatz einer Streichergruppe, die tatsächlich noch aus menschlichem Haut und Haar besteht.

„Das Album sollte helfen, einige scheinbar unüberwindbare Mauern in der Musikszene daheim niederzubrechen. Dieses blödsinnige Stars-Contra-Independents-Syndrom zum Beispiel, das in Australien wahrscheinlich noch extremer ist als hier. Ich gab mir alle erdenkliche Mühe, nicht mit den Leuten zusammenzuarbeiten, die man automatisch mit meinem Namen verbindet. Und nicht das kommerzielle Album einzuspielen, das man fast schon zwangsläufig von mir erwartet. Wir verstießen gegen eine ganze Menge ungeschriebener Gesetze. „

Max Q tat seine ersten Schritte, als Hutchence eine Rolle im australischen Kultfilm „Dogs In Space“ (ein Blick in die Halbwelt von Melbourne) spielte und dabei auf Ollie traf, der für den Soundtrack verantwortlich war. Ollie hatte 1977 eine Combo namens Whirlywirld gegründet, welche die Punk-Revolte mit Pioniertaten im Elektronik-Bereich zu vereinen suchte. „Heute ist er der letzte einsame Bannerträger des Punk in Melbourne. Ein echter Hardcore-Musiker und Stadt-Guerilla. Sein letztes Album – seine heutige Band heißt übrigens No – kostete ganze 500 Dollar für die Produktion.

Wir haben schon seit einer ganzen Weile drumherumgeredet, irgendwann einmal etwas zusammen zu machen. Er für seinen Teil wollte seit langem mal etwas mit Saiteninstrumenten machen – mich hingegen interessierte vor allem, mit diesen kompromißlosen Lokalmusikern aus Ollies Umgebung zu arbeiten. Ich aktiviere den Popstar in Ollie, und er den Punker in mir. Beide waren wir neugierig, was bei einer derartigen Konfrontation wohl herauskommen würde. Irgendwo im Hinterkopf hatte ich nämlich noch diese Erinnerungen an Barry White und seine schmalzigen Geigen …“

Schließlich geschah alles recht plötzlich: „Weil Max Q keine Vergangenheit hatte – und letztlich wohl auch keine Zukunft, gingen wir alles ganz fundamental an. Als erstes mußte ich endlich einmal richtig Gitarrespielen lernen. Dann rief ich Ollie an, und wir setzten uns drei, vier Tage konzentriert auf den Wohnzimmerboden und schoben uns mit einer Fendergitarre, einem Baß, einer Drumbox und ein paar Cassettenrecordern gegenseitig unsere Ideen zu.“

Für die meisten beteiligten Musiker war’s das erste Mal, daß sie sich im Studio mehr als einen Aufnahmeversuch leisten durften. Dennoch war’s alles andere als billig, stöhnt Michael, der den ganzen Spaß aus eigener Tasche berappte: „Die Anzahl der Takes hing davon ab, wieviel Cash am Ende der Woche noch da war, haha. Glücklicherweise ging alles ganz flott und problemlos vorwärts, und so hat’s doch noch für ein paar ausgefallene Sachen gereicht.“

Allzu arg strapazieren dürfte Max Q das Hutchence’sche Vermögen (angereichert noch durch eine gewinnbringende Investition in den Film „Crocodile Dundee“ zu einem Zeitpunkt, als sonst niemand dem Produzenten und Hauptdarsteller Paul Hogan Geld geben wollte) aber nicht: Ersten Meldungen zufolge kommt Max Q in den USA bedeutend besser an, Band ohne Ego: Die Mitglieder von Max Q bleiben anonym als Michael dies erwartet hätte. „Aus Karrieregründen habe ich dieses Album bestimmt nicht gemacht. Für die anderen Beteiligten wäre ein Erfolg wohl ein gewisser Bonus: Sie könnten sich dann endlich ein zweites Paar Jeans leisten.“

Live-Pläne gibt’s für Max Q derzeit noch keine, obwohl Michael die Idee eines einmaligen Konzertes vorschwebt, das er dann als Video in die restliche Welt schicken möchte, bevor es ans nächste INXS-AIbum geht: „Diese drei Monate mit Max Q haben mich in Sachen Songschreiben, Produktion und Gesangstechnik erheblich weitergebracht. Ich habe wirklich ungeahntes Selbstvertrauen gewonnen. Ich kann’s kaum erwarten, mit all diesen frischen Ideen ans nächste INXS-Album zu gehen. „