Mike Watt


Ein Tieftöner räumt mit gängigen Vorurteilen auf. Der ehemalige Bassist von Firehose profiliert sich als Chef von Eddie Vedder, Henry Rollins und Evan Dando.

Die Namen der Leute, die auf dem Album mitgemacht haben, stehen alle in meinem Telefonbuch“, erzählt Mike Watt, „ich brauchte einfach nur anzurufen und zu fragen: ‚Hast Du Lust, morgen ins Studio zu kommen, ich werde auch da sein‘. Das war’s.“ Mike Watt, ehemaliger Bassist der legendären amerikanischen Punkbands Minutemen und Firehose, hat für die Aufnahmen von ‚Ball-Hog Or Tugboat‘ eine All-Star-Band versammelt, die sich hören lassen kann. Die Namen der beteiligten Musiker lesen sich wie das Who Is Who der Alternative Music: Eddie Vedder, die beiden Ex-Nirvanas Dave Grohl und Krist Novoselic, Henry Rollins, J. Mascis (Dinosaur Jr.) und Evan Dando (Lemonheads) veredelten Watts erstes Album unter eigenem Namen ebenso wie drei Viertel von Sonic Youth: Thurston Moore, Lee Ranaldo und Steve Shelley. Daß die illustre Runde der 50 Musiker überhaupt zustande gekommen ist, liegt wohl überwiegend an Watts Reputation als einer der wegweisenden Musiker der 80er Jahre. An die Punklegende aus San Pedro/Kalifornien erinnern sich die musikalischen Erben aus den 90er Jahren eben nur allzu gern. Ebenso leicht wie Watts Einladung zur Session gestaltete sich dann die Arbeit im Studio. Übertriebenes Führungsgehabe ist Mike Watt fremd, aber in der Rolle des Organisators, der die Regler fest in der Hand hält, fühlte sich der Bassist sichtlich wohl. „Ich habe immer gedacht, daß meine Kompositionen wie kleine Filme sind, und diesmal war ich so was wie der Regisseur. Es war nicht so, daß ich den Leuten im Studio exakte Anweisungen gab. Vielmehr ließ ich die Bandmaschinen anlaufen und fragte: Okay, was wollt ihr machen?“ So ganz ohne Planung lief’s dann aber doch nicht. „Bei manchen Songs wußte ich schon vorher, wer unbedingt darauf spielen sollte.“ Bei der Cover-Version von Funkadelics ‚Maggot Brain‘ zum Beispiel. Kein Wunder. Denn wer, wenn nicht Dinosaur Jr. I. Mascis hätte das minutenlange Gitarrensolo derart episch auswalzen können? „Andere Songs“, bekennt Mike Watt, „waren regelrechte Unfälle.“ ‚Against The 70’s‘ zum Beispiel. Dabei war dieser Song dem Screaming Trees-Sänger Mark Lanegan ursprünglich wie auf den Leib geschrieben — allerdings nur so lange, bis ein gewisser Eddie Vedder im Studio auftauchte. „Eddie mochte den Song sofort. Was zur Folge hatte, daß er ihn dann eben auch sang.“ Mike Watt spart nicht mit Lob über seine musikalischen Begleiter. „Als ich zum ersten Mal Sonic Youth hörte, fühlte ich mich so modern wie Chuck Berry. Mit Thurston Moore einen Song aufzunehmen, war für mich schon lange so etwas wie ein geheimer Geburtstagswunsch. Nun endlich ist er in Erfüllung gegangen.“ Als Mike Watt Ende der 70er seine muskalische Laufbahn begann, wurde er von Selbstzweifeln und Komplexen gequält. „Ich war ja nur Bassist. Und der Bass war schon immer das Instrument, das der Lahmarsch der Band abgekriegt hat. Jedenfalls bis vor einigen Jahren. Inzwischen sind manche meiner Kollegen viel wichtiger, als viele Leute glauben. Heute kann der Bassist in einer Band sogar die erste Geige spielen.“ Wohl wahr, Mr. Watt.