Morrissey


Ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, dieses Konzert in Worte fassen zu wollen. Morrissey, bekanntlich einst Kopf der Smiths, gilt in England als Kultfigur. Und so sind denn auch seine Konzerte keine Konzerte, sondern Stätten einer fast schon religiösen Begegnung. Die berauschte Atmosphäre in der Halle hat Seltenheitswert und knistert geradezu vor Dramatik. Nur Morrisseys ranker Oberkörper, in ein seltsames schwarzes Hemd gehüllt, ist anfangs über den Köpfen der Zuschauer zu erkennen. Er geht nicht, er schreitet über die Bühne. Mühsam bahnt sich seine Stimme, einem brillantinegelackten Balance-Akt zwischen Shakespeare und Oscar Wilde gleich, ihren Weg durch das anschwellende Crescendo der Begeisterung. Mit „Stop Me If You Think You’ve Heard That One Before“ steigt er ein. Wie kaum ein anderer Song bringt gerade dieser sein augenblickliches Selbstverständnis, sein Schwanken zwischen Selbstkritik und Selbstverliebtheit am eindringlichsten zur Geltung. Sein Hang zu Fatalismus und Narzismus spiegelt sich auch in „Disappointed“ wider, und während er am Ende des Songs zu einem erotisierenden Brüllen anhebt, intoniert die Tremolo-spuckende Gitarre von Gannon bereits die weitaus beste Single der Smiths, „How Soon Is Now?“ Trotz aller Inbrunst bleibt nur wenig Zeit für tiefgründige Betrachtungen, denn die Bühne scheint ein ums andere Mal unter dem Ansturm begeisterter Fans zusammenzubrechen. Schließlich geht’s dem Propheten gar selbst ans Leder: Gleich drei Leute stürzen sich auf ihn und reißen ihn auf die Bretter. Fast sieht es so aus, als sollte aus der spielerischen Performance blutiger Ernst werden, doch dann erhebt Morrissey wieder sein edles Haupt und mahnt die Menge zu Besonnenheit.

Eine neue Version von „Suedehead“ und „Interesting Drug“ läuten das Finale ein. das er mit einem glänzenden „Sister I’m A Poet‘ und „Death At One’s Elbow“ krönt. Besonders der Refrain des letzten Songs, eine Metapher auf die Einsamkeit, bringt die Atmosphäre dieses Konzerts noch einmal auf einen Nenner:“.Goodhye my lord, goodbye“ – der vergebliche Abschied eines entwurzelten Individuums.

Fazit: Morrissey hat nicht einen einzigen Funken vom romantischen Glanz, der einst die Smiths so auszeichnete, verloren. Er hat sein Publikum fest in der Hand. So fest, daß die Eindrücke dieses Abends auch noch die nächste Zeit unbeschadet überstehen werden.