Nachts im Museum


Wie Kraftwerk mit acht Konzerten in New York die eigene Legende am Leben erhalten

Acht aufeinanderfolgende Tage. Acht Konzerte. Acht Alben. Mitte April traten die Techno-Pioniere Kraftwerk Im Museum Of Modern Art in New York auf. Normale Konzerte waren das natürlich nicht. Jeder Abend, an dem Kraftwerk die Alben von Autobahn bis Tour de France (Soundtracks) komplett aufgeführt haben, wurde als audiovisuelles Gesamtkunstwerk inszeniert mit 3-D-Projektionen und allem Pipapo. Es stellt sich dabei weniger die Frage, was der Pop in den Tempeln der Hochkultur verloren hat. Die Popmusik hat ja in ihrer Geschichte auch noch den letzten Bereich durchdrungen und Altersgrenzen (bei den Ausführenden und beim Publikum) verschoben. Wie bei jeder anderen Kunstform reicht ihre Qualitätskurve von trivial bis hoch komplex. Warum also nicht Kraftwerk im MoMA? Es geht auch nicht um die Frage, ob Bands ganze Alben – im Sinne klassischer Kompositionen – aufführen dürfen. Wer etwas dagegen hat, hängt wahrscheinlich einer rockistischen und romantischen Vorstellung nach, die nach Männerschweiß riecht und Spontaneität und Ehrlichkeit als höchste Tugenden ansieht. Es geht vielmehr darum, dass Kraftwerk den eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. Die Idee des Retro- Futurismus ist bei Kraftwerk zu einer generalstabsmäßig aufgezogenen Verwertungskette des Backkatalogs geworden. Neues kommt nicht dazu, die Helden schwimmen im eigenen Saft, Retromanie statt Retro-Futurismus. Seit mehr als 20 Jahren verwalten Kraftwerk die eigene Legende in Form ihres schmalen Songkatalogs – bis auf die ungeliebten ersten drei Alben. Die Digitalisierung ihrer alten Aufnahmen Ende der 80er-Jahre mündete in einem gigantischen Soundarchiv und dem Greatest-Hits-Album The Mix. Darauf korrigierten Kraftwerk ihre Songs, also ihre eigene Geschichte mit Neuaufnahmen. Ab da ging es um jeweils als zeitgemäß empfundene Updates des Sounds. Weniger Techno-Pop, mehr Technokratentum. Die Historisierung und Musealisierung von Kraftwerk hat also nicht erst im Herbst 2011 im Lenbachhaus in München oder im April 2012 in New York begonnen, sondern schon vor zwei Jahrzehnten mit dem Album The Mix.

Am Abend nach der Live-Präsentation des Albums Die Mensch-Maschine hat Juan Atkins eine Soundinstallation im MoMA aufgeführt. Atkins ist einer der Väter des Detroit Techno – und maßgeblich von Kraftwerk beeinflusst. Er zeigte, dass Auftritte nachts im Museum nicht zwangsläufig etwas Museales an sich haben müssen.