Nicht altmodisch, mehr altromantisch


Musik für Liebhaber von Zigarettenspitzen aus Elfenbein: llya beweisen, dass die alte Bristoler TripHop-Quelle doch noch nicht versiegt ist.

Dan Brown, Sounddirektor bei Ilya, steht im Nieselregen auf einem Acker vor seiner Heimatstadt und seufzt in sein Handy: „Filmm usik ist etwas, wasich unbedingtnoch machen möchte, bevor ich sterbe.“ Dabei wäre das Album they died for beauty der perfekte Soundtrack für Filme, wie sie heute nicht mehr gedreht werden, „altmodisch würde ich unseren Sound nicht nennen“, meint Brown leicht verschnupft, „sondern nostalgisch. Oder alt-romantisch. Ich hoffe eigentlich, dass es wie alte Musik klingt, die modern gemixt wurde. Musik aus einem Parallel-Universum.“ „Desen Noir“ nennen sie ihren Stil, eine Kreuzung aus Spaghetti-Western und Film Noir. Soul, ungarische Volksmusik und exklusive Loungebeschallung- der Kitt zwischen diesen unterschiedlichen Einflüssen ist die Stimme von Jo Swan Slinky. Eine Stimme so dunkelblau, dass sie sich nicht vor einer Beth Gibbons zu verstecken braucht, und so tief, dass Allison Goldfrapp glatt darin verschwinden würde. Trainiert durch Beatles-Lieder in der Kindheit und aufgeraut durch nächtelange Auftritte in Bars. Ausdrucksstark genug, die kleinen Dramen der Songs mit schauspielerischem Elan zu verkörpern. Dramen, die ihr Nick Pattin auf den Leib geschrieben hat: „Früher habe ich ihn immer gefragt, worum es in den Texten geht“, erzählt Brown, „aber er wollte es mir nicht verraten. Bis ich begriffen habe, was es mit der Kraft der Interpretation auf sich hat. Wenn David Hasselhoff über Liebe singt, stellt sich eine süßliche Musik in den Dienst eines süßlichen Texres.“ Bei Ilya widersprechen die Arrangements oft und raffiniert der Aussage des Textes – ein simpler Kniff, dem die Platte ihre cineastische Spannung verdankt. „Es ist Alchemie“, sinniert Brown über den Glücksfall, dass sie sich über den Weg gelaufen sind. „Ich habe sie rein zufällig in einer Kneipe gehört, Jo und ihren Mann Nick Pullin, wie sie Jazz spielten, sehr schrägen Jazz Sie suchten jemanden, der ihrer spröden Kunst den nötigen Schliffgibt. Und ich suchte jemanden, der Songs schreiben kann.“Das Feld, auf dem Dan Brown telefonierend umherspaziert, liegt vor dem Haus des Paars bei Bristols, Heimat von Porrishead, Massive Attack und Tricky. „TripHop ist ein Regenschirm, unter dem man es sich gemütlich machen kann“, sagt Brown abwiegelnd, „aber wenn es nützt, ist es okay.“Okay war für sie auch deT Einsatz der Single „Belissimo“ in einem Werbespot für ein Parfüm: „MitWerbung haben wir in England wenig Probleme. Zumal es perfekt passte, weiljo im Refrain ,mon amour‘ singt, zufällig der Name dieses Duftwässerchens. Außerdem lief der Spot im Kino vor,Herr der Ringe‘-da war der Sound einfach phantastisch.“

Wie klein die Welt sein kann, haben Ilya recht bald feststellen müssen. Ursprünglich nannte sich das Trio Isis: „Wirsuchten einen sprechenden Namen „, meint Brown, „um genau zu sein: Wir suchten länger nach einem Namen, als wir an diesem Album gearbeitet haben.“Doch es gab eine französische Band, die sich „Isis“ bereits gesichert hatte. „Also kamen wir auf Ilya. Ein russischer Vorname, schön knapp und doch fremd und schillernd genug, dass er Assoziationen hervorruft“. Es gibt aber auch schon eine Band namens Ilya in San Diego. „Das Absurde ist: Die machen auch Musik, dieaufTripHop beruht!“Doch man fand einen Kompromiss: Wenn die US-Ilya in Europa auftreten, müssen sie ihren Namen ändern, und umgekehrt. Vorläufig egal, denn bisher sind die Briten nicht einmal durch Europa getourt: „Wir hatten bis jetzt nur ein paar wenige Auftritte. Konzerte sind eine ganz eigene Kunstform für sich, gerade bei unserer Musik. Wir wollen nicht die übliche Live-Situation, sondern eine Art Variete gestalten“

Und zwar eines für ein Publikum, das Zigarettenspitzen aus Elfenbein und hochprozentige Cocktails schätzt, Nina Simone und Curtis j Mayfield für die Ewiggrößten hält und sich immer wieder gerne in den Weiten Ennio Morricones verliert.