Paul McCartney


Nach einer 13jährigen Tour-Abstinenz ist’s nur verständlich, daß „Macca“ mit neuer Band am 26. September nicht aus dem Übungskeller gleich auf die Bretter der Skedsmohallen in Oslo treten will; dort nämlich soll seine diesmalige Weltreise beginnen. Zwecks lockerer Einstimmung ins neue alte Lebensgefühl war der Welt reichster Bassist drum auf die Idee gekommen, ein schmuckes Theater anzumieten und sich vor geladenen Gästen mit einigen Sparrings-Runden warmzuzupfen. So spielte er an zwei pressemaulwurfsfreien Abenden vor Fanclub-Mitgliedern. Plattenfirmenleuten und Mitarbeitern von „Friends of the Earth“ – jener Umweltschutzorganisation, deren Ziele sich McCartney aufs Banner geschrieben hat und die auf der Tournee verstärkt in Erscheinung treten wird. Zum Lunch am heutigen Donnerstag soll er den Medien nun nicht nur ein paar Fragen beantworten, sondern ebenfalls noch ein Ständehen aeben.

„Macca“ überläßt auch hier nichts dem Zufall. So müssen wir unsere Tickets zwei Tage vor der Show allesamt austauschen lassen: In der ersten Version ist dem Drucker ein Fehler unterlaufen, welcher Pauls Gesicht über Gebühr röten läßt. Und jetzt, wo die Fotografen vor dem gewissenhaft schuftenden Paul ihre Arbeit tun. werden wir noch zwangsweise an der Bar festgehalten: Der schreibenden Zunft nämlich sind andere Songs vorbehalten. Später gefragt, was denn nun genau unseren Fotografen vorgespielt worden sei. bekommen wir zu hören: „Hab nicht zugehört, habja gearbeitet.“ Oder: „Der hat halt so’n bißchen gejammt. “ Mit anderen Worten: Dem Foto-Volk wäre es auch nicht aufgefallen, wenn McCartney nur die Tonleiter rauf- und runtergespielt hätte.

Immerhin hat dieser Schreiber noch Glück, insofern er sich schon während eines nicht für sein Ohr bestimmtes Liedes ins allerheiligste Auditorium zu drücken vermag. Es ist dies eine ausgesprochen gutgelaunte Schrummelversion von „Midnight Special“, von Linda und Paule – letzterer vom Haarschnitt bis zu den Socken in klassische Grautöne gehüllt – mit gerade der rechten Mischung aus legerem Schalk und unaufdringlicher Präzision vorgetragen.

Dann endlich darf die Journaille in den Saal – und die neue Combo ins Spiel. Mit „Coming Up“ geht’s gleicht in einen dampfigen Synkopen-Rock, dessen unüberhörbare Verwendung von Funk-Elementen keine Überraschung ist, da inzwischen Hamish Stuart – dereinst rhythmusprägender Gitarrist bei den White-Funk-Pionieren The Average White Band – in vorderster Band-Front mitmischt. In einer präzise arbeitenden Band, die trotzdem nie den lockeren Swing verliert, ist Hamish allerdings der einzige, der Mühe bekundet: Seine Backing-Vocals neigen zum verkrampften Quäken. Es folgt ein in der Umgebung des „Choo Choo Ch’Boogie“ angesiedelter Rhythm & Blues-Klassiker, den kein Sitznachbar zu identifizieren vermag, der aber rundum mächtig Spaß macht und Maccas ergrautes Haupt munter zum Wackeln bringt. Dann die neue Single „This One“: Der Song wirkt live organischer als auf Platte und wird durch Chris Whittens schlaues Getrommel und Robbie Mclntoshs bedrohliche Gitarre deutlich aufgewertet. Und das wär’s dann schon – drei Songs, die McCartneys Tourprogramm als musikalische Eckpfeiler umreißen:

alt, mittelalt und neu. Wenn sie den Rest des umfangreichen Tour-Sets auch so gut eingeübt haben, darf man sich im Herbst auch in Deutschland auf hochklassige Konzerte freuen. Nach 13 Jahren Tour-Pause sollte es Paul mit Sicherheit in den Fingern jucken.