Polarkreis 18 München, Ampere


Vom immergleichen Schicksal der Indieband, die zur Popband wird.

Wie erstellst du deine Setlist, wenn bis vor drei Monaten lediglich gut informierte Teil-Kulturinteressierte Notiz von dir nahmen und du dank Überraschungshit über Nacht zum Posterthema für die Teenie-Illus geworden bist? Den Schlager ans Ende setzen, um den Radiohörern auch den Rest deines Schaffens nahe zu bringen? Ihn unter die ersten drei Songs platzieren, um die „Sell out“-Stimmen abzuwürgen. Ihn ganz weglassen? Den Refrain subtil unter die Synthieflächen des Intros legen und mit schneidenden Gitarrenakkorden unterbrechen? Genau das machen Polarkreis 18. Dann eilt Sänger Felix Rauber auf die Bühne und steigt in das Titelstück des aktuellen Albums ein, „The Colour Of Snow“. Die Dresdener tragen dazu schneeweiße Winteruniformen. Show ist hier eben kein Schimpfwort: einstudiertes Headbanging, Bad in der Menge und immer wieder die großen Gesten. Da verwundert auch ein die zarten Gesichtszüge Räubers ab dem zweiten Song umgebender klobiger Kopfhörer nicht-transportiert optisch ja perfekt das die Musik der Band charakterisierende Spiel mit emotionalen Gegensätzen. Doch hier handelt es sich um kein Accessoire: Der insektenaugenähnliche Kopfrahmen ist einem kleinen Hörsturz geschuldet, den der Sänger an diesem Tag erlitten hat. „Mit einem Brummen im Kopf sei er heute aufgewacht. „Mit einem Brummen in den Ohren spielen wir endlos weiter“ lautet denns Deutsche übersetzte Titel des letzten Werks der Band, als deren „deutsche Antwort“ Polarkreis 18 in ihren Anfangstagen gehandelt wurden: SigurRös. Ein bequem oberflächlicher Vergleich, könnten Kammermusik und Bombast-Wavepop doch kaum weiter auseinanderliegen. Was die Gruppen dennoch eint, ist die Erfahrung mit plötzlichem, unerwartetem Massenerfolg. Sigur Rös schafften den Spagat, führten die gespaltenen Fanlager mit beständig überwältigender Musik wieder zusammen Wird Polarkreis 18 Ähnliches gelingen? Die ersten Töne von „Allein Allein“, dem letzten Song des regulären Sets, entreißen einem Besucher ein erleichtertes „Endlich!“, einem anderen ein empörtes „Scheiß Kommerz!“ und Räuber wider jeglicher ärztlicher Warnung den Kopfhörer: Mit nackten Ohren und gestreckten Armen steht er auf einer Monitorbox und lauscht strahlend, wie die Menge paradoxerweise einträchtig ihre Einsamkeit feiert. Leider kann kein anderer Song an diesem Abend eine ähnliche Begeisterung entfachen. Einzig „Dreamdancer“ hatte die Leute noch annähernd in Schwingung ver setzt.

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