Radiohead, Los Angeles, Troubadour


HEUTE MUß EINFACH alles stimmen: Der Sound, das Licht, die Songauswahl. Thom Yorke, sichtlich nervös, ringt sich gerade mal ein kurzes „Hello“ab. Doch während die gesampelten Grübeleien einer lethargischen Computerstimme vom Band laufen („Fitter Happier“), siegt die Konzentration über die Unsicherheit. Das sphärische „Lucky“ bildet den Auftakt zu einem Gig, der den Oxford Five als Standortbestimmung und Generalprobe dient. Schließlich ist das hier Hollywood, also ein echter Prüfstein. Wer hier spielt, der tritt vor ein extrem kritisches, weil verwöhntes Publikum. Der ideale Rahmen, um die Wirksamkeit einer Show zu testen, die in den nächsten Monaten mehrfach um den Globus gehen soll. Doch im altehrwürdigen Troubadour haben Radiohead leichtes Spiel. Ihr Sound ist so malerisch, so fragil und anmutig, daß er selbst hartgesottene Showbiz-Veteranen in seinen Bann zieht. Unterlegt von einer farb-intensiven Lightshow, die das Bühnengeschehen in stimmungsvolles Rot, Blau oder Grün taucht, zelebrieren Radiohead das Material der letzten beiden I Alben. Hier“Airbag“,“Karma Police“, „Climbing Up The Walls“, dort „Bones“, „The Bends“,“Fake Plastic Trees“ oder „Bullet Proof“. Dabei beruht die Faszination des Quintetts nicht nur auf atemberaubenden Tempi- und Akkordwechseln, sondern auch auf seinen offenkundigen Gegensätzen: Gitarrist Ed O Brien wirkt unnahbar cool, Sänger Thom Yorke droht bei jedem Song in Tränen auszubrechen, Saiten-Killer Jonny Greenwood besticht durch exzessives Posing, und Drummer Phil Selway sowie Bassist Colin Greenwood bilden eine beinah anonyme Rhythmussektion. Wie zielsicher dieses Kollektiv jedoch ist, zeigt sich an der aktuellen Single „Paranoid Android“. Das Tempo wird nach Belieben forciert, Harmoniefolgen werden aufgebrochen und umgestellt, schmachtende Melancholie entlädt sich in heftig rockenden Eruptionen. Ein Aufbau, der blindes Vertrauen und handwerkliche Perfektion voraussetzt. Radiohead vereinen Wut und Schmerz, Power und Zerbrechlichkeit. Sie schicken ihr Publikum auf eine Achterbahnfahrt durch die Psyche. Yorkes Stimme sorgt für Gänsehaut, Greenwoods messerscharfe Akkord-Salven sind pures Adrenalin, und das prächtige Lichtermeer erweitert zumindest scheinbar das Bewußtsein. Im Zugabenteil folgt mit „Blow Out“ der einzige Song vom ’93er Debüt „Pablo Honey“. Das Fehlen von „Creep“, dem Überhit, fällt bei so viel gebündelter Emotionalität nicht weiter ins Gewicht.

Doch schon wenige Tage später setzt der graue Tour-Alltag ein. Im Kölner E-Werk sind Radiohead Opfer der unwilligen Technik. Der Sound ist dumpf und breiig, die Stimmung mäßig, die Lightshow längst nicht so effektiv wie zuvor in Los Angeles. Nicht die Songs, sondern die äußeren Bedingungen sind es, die es der Band in Köln schwer machen, den direkten Draht zum Publikum herzustellen.Wer in größeren Hallen bestehen will, braucht dazu eben die entsprechende Technik. Aber das sollten Radiohead, die Perfektionisten aus Oxford, eigentlich am besten wissen.