Rage Against The Machine


Wenn die lauteste außerparlamentarische Opposition der Welt die Bühne entert, ist es mit der Politikverdrossenheit der Kids ganz schnell vorbei. Allerdings: Für Frohsinn bleibt bei Rage Against The Machine dann kein Platz mehr.

Prima Gegend. Abgerissene Gestalten in zerschlissenen Armee-Mänteln drücken mir mit ausdruckslosem Gesicht irgendwelche Flyer in die Hand. Fast ununterbrochen schießen Polizei- bzw. Krankenwagen mit heulenden Sirenen um die Ecke. Wenig vertrauenserweckende Herrschaften fragen mich wahlweise, ob ich Drogen habe oder welche kaufen möchte. Der Boden ist flächendeckend mit leeren Bierdosen, Glasscherben, Handzetteln und Fast Food-Überresten zugemüllt. Bullige Ordnungskräfte zerren einen grün und blau geprügelten Punk weg. Um mich herum fast ausschließlich Typen, die aussehen als ob sie soeben vom Dreh für den nächsten ‚Mad Max‘-Streifen kommen wurden. Das einzige, was der Szenerie noch fehlt, ist der aus Endzeit- und Großstadt-Thrillern wohlbekannte Dampf aus den Kanaldeckeln. Den Soundtrack zu dieser heimeligen Atmosphäre gibt’s nur wenige Meter weiter. Rage Against The Machine, die aufrechten Kämpfer gegen das Böse, wüten in den traditionsreichen Hallen der Londoner ‚Brixton Academy‘. Und das nicht zu knapp. Von Beginn an bellt Chefideologe Zack de la Rocha seine Botschaften ins Volk, tobt über die Bühne, windet sich wie unter Schmerzen während Gitarrist Tom Morello mit stoischer Miene seinem Arbeitsgerät Riffs entlockt, die die Verstärker deutlich an den Rand ihrer Belastungsfahigkeit bringen. Dazwischen Text: Wolfgang Hertel streut Tim Bob, der ebenfalls keinerlei Gefühlsregung erkennen läßt, immer wieder seine charakteristischen, stählernen Bass-Intermezzi, für die Schlagzeuger Brad Wilk mit seinem ebenso wuchtigen wie punktgenauen Spiel das Fundament liefert. Mit unglaublicher Wucht, beeindruckender Präzision und einer PA im Rücken, mit der man ohne weiteres auch Fußballstadien beschallen könnte, ziehen die vier Amerikaner in ihren Heiligen Krieg gegen Rassismus. Ausbeutung, soziale Ungerechtigkeit und Kapitalismus (Der Ticketpreis liegt an diesem Abend bei politisch korrekten 8 Pfund, umgerechnet also gerade mal 20 Mark). Nicht von ungefähr prangt sogar auf dem Gitarrenmonitor ein Portrait von Guerilla-Ikone Che Guevara. Songs wie „Vietnow‘, ‚Bulls on Parade‘ oder ‚People Of The Sun‘ (alle aus dem aktuellen Album ‚Evil Empire‘) sprechen da eine deutliche Sprache. Man ist offensichtlich nicht zum Spaß hier. So legen die Früchtchen des Zorns zwischen den einzelnen Songs denn auch jeweils eine kleine Pause ein, die die unpolitische Pogolaune des Publikums immer wieder leicht absinken läßt. Ansagen gibt es – von der seltsam spröden Begrüßung „Good evening. We are Rage Against The Machine from Los Angeles“ einmal abgesehen – keine. Die Lyrics von Tracks wie ‚Revolver‘ oder Klassikern wie ‚Bombtrack‘ oder ‚Bullet In The Head‘ bedürfen keiner Erklärung. Hier regiert Wut, Aggression, Zorn. Gelacht wird da nicht. Die Lage ist zu ernst. De la Rocha und seine Mitstreiter haben den Feind erkannt, jetzt gilt es. die Massen gegen ihn zu mobilisieren. Und die Zuhörer folgen willig. „Fuck von, I won’t do what you tell me!“ schmettern sie den Refrain von „Killing In The Name‘ – doch sehr folgsam durch die restlos ausverkaufte Halte. Verweigerung im Kollektiv ist eben einfacher als im einzelnen. Man kann natürlich jetzt darüber streiten, inwieweit das Kreuzüber-Gelärme der vier aufrechten Musiker das richtige Medium für ihre eindringlichen, engagierten Texte ist. Fest steht, ihr – in dieser Heftigkeit konkurrenzloser – musikalischer Molotov-Cocktail macht Rage Against The Machine ohne jeden Zweifel zu den Alleinherrschern des Crossover-Genres. Und daß sie auf der Bühne keine „Show“ abziehen, hat Zack de la Rocha in Interviews oft genug betont. „Schließlich ist Rage Against The Machine eine politische Band.“ Wohl wahr