Real Live – Bob, der Performer


Die frühen Folktage 1960 – 1964

Wo immer es im hippen New Yorker Stadtteil Greenwich Vlllage eine Bühne gibt, kennt das Publikum den Typen mit dem Cord-Käppi auf dem Kopf, der Halterung für die Harmonika um den Hals, der Gitarre und einer Stimme, die, so ein Kritiker, klingt, „als käme sie über die Mauern einer Lungenheilanstalt“. Mit ihr raspelt er sich durch Traditionais, Bluesklassiker und eigene Stücke. Und Robert Shelton schreibt in der „New York Times“ vom 29. September 1961: „Kein Zweifel, er platzt vor Talent.“ Vier Wochen später hat Dylan einen Plattenvertrag. Sound for glory.

Die elektrische Phase 1965/1966

Pete Seeger ist außer sich. Am liebsten würde der sonst so friedfertige Folksänger mit einer Axt die Kabel durchschlagen: Der Kerl da draußen spielt doch tatsächlich-Rock’n’Roll. Beim Newport Folk Festival! Und die Fans? Buhen bei „Maggie’s Farm“, pfeifen bei „It Takes A Lot To Laugh“. Dennoch gibt es nach diesem Tag, dem 25. Juli 1965, kein Zurück für Bob. Forest Hills? Buhen und Pfeifen. Hollywood Bowl? Royal Albert Hall in London? Buhen, Pfeifen, Judas!“-Rufe. Ein Ritual, überall. In Manchester streitet sich Dylan mit einem Zuschauer herum, herrscht dann seine Band an, „play it fuckin‘ loud!!“ – und gemeinsam stürzen sie sich in „Like A Rolling Stone“. Als gäbe es kein Morgen mehr.

Die Rolling Thunder Revue 1975/1976

Ein Traum: mit Freunden durch die Lande ziehen und in Clubs, wenn’s sein muss auch Heuschobern, aufspielen; eine Minstrelshow, wie in den alten Zeiten, lange vor Radio und TV. Natürlich sind’s dann nie Heuschober und selten winzige Clubs, aber das mit den Freunden stimmt schon: Ramblin‘ Jack Elliott ist dabei und Joan Baez, Bobby Neuwirth und Kinky Friedman, Roger McGuinn und Mick Ronson. Jeder singt ein paar eigene Stücke, und Dylan singt seine Songs, und am Ende singen alle Woody Guthries „This Land Is Your Land“. Zu hören auf der LP HARD RAIN, zu sehen im einzigartigen Film-Dokument „Renaldo & Clara“.

Die Budokan-Bigband 1978

Für Paul Williams ist es „womöglich einer der großen Momente im Leben des Künstlers“, Dylan selbst bekundet oft, er bekomme jedesmal eine Gänsehaut, wenn er an den Auftritt vom 1. Juli 1978 auf dem Nürnberger Zeppelinfeld denke. Zuvor drangen seltsame Nachrichten aus Japan herüber: Mit Bigband sei er unterwegs,gebe den Entertainer, spiele Reggae(!)-Versionen seiner Klassiker, manche Stücke erkenne man gar erst beim Refrain. Bob goes to Las Vegas? Ja, aber es ist grandios, so grandios, dass man sich in diese alten, vertrauten Songs aufs Neue verliebt.

Der Prediger unterwegs 1979/1980

Der Freigeist von einst verkündet das Wort Gottes, gibt den geläuterten Sünder, weigert sich, alte Songs (Teufelszeug?) zu spielen, und predigt lieber: „You Gotta Serve Somebody“,“Property Of Jesus“, „Gonna Change My Way Of Thinking“ usw., kein „How does it feel?“ weit und breit, statt dessen jauchzen die Gospeldamen: Praise the Lord! Hallelujah!

The Never-Ending Tour 1988 – ???

Dreizehn Jahre nun schon: Der notorisch Missgelaunte zieht rastlos um die Welt, strotzt ob in Bad Mergentheim oder im Madison Square Garden – nur so vor Spielfreude, tritt bei MTV auf und, was ihm mancher übel nimmt, gar vor dem Papst. Aufhören? Geht nicht. „Ich wäre verloren“, sagt er. 60 Jahre ist er jetzt alt, der ewige Drifter, seit vier Jahrzehnten unterwegs, immer noch „with no direction hörne““. Hut ab, Mr. Dylan – und: Danke!