Bob Dylan :: Bootleg Series Vol. IV: Live At The Royal Albert Hall
Die dreiteilige Bob Dylan-Vinyl-Reihe „Little White Wonder“ startete Ende der 60er Jahre den allgemeinen Boom der Bootlegs, der illegal aufgenommenen Schallplatten. Aus jener Frühzeit der Raubpressungen stammt auch ein in seiner Urfassung klanglich exzellenter Dylan-Live-Mitschnitt, der unter dem Titel „Royal Albert Hall – May 27,1966“ unter dem Ladentisch angeboten wurde. Besagtes Bootleg-Album galt bei Dylanologen als Heiliger Cral des Rock ’n‘ Roll. Erst kürzlich verlieh das britische Magazin „Mojo“ der Raubpressung den Titel „Das wohl berühmteste Bootleg-Album aller Zeiten“. Über mehrere Generationen hinweg pflegten die Fans den Kult um das Albert Hall-Konzert und zogen Kopien von miserablen Platten oder Tapes, um sie wiederum an Freunde und Fans weiterzureichen. Damit war einer der hartnäckigsten Mythen der Rockgeschichte geboren.
Tatsächlich handelt es sich nämlich bei den acht Songs um die zweite Hälfte eines Konzertmittschnitts vom 17. Mai 1966 in der Free Trade Hall in Manchester. Das Rätsel, wieso man als Quelle der Aufnahmen das Albert Hall-Konzert angegeben hat, wurde nie ganz gelöst. Vermutlich wirkten die Worte „London“ und „Royal Albert Hall“ damals einfach hipper auf einer Plattenhülle. Bereits in den 6oern sollten diese Live-Aufnahmen auf einem offiziellen Album erscheinen. Doch Maestro Dylan und sein Manager Albert Grossman entschieden sich gegen eine Veröffentlichung. Ein Grund dafür, weshalb die Bänder zunächst in die Privatarchive wanderten, könnte Dylans schwerer Motorrad-Unfall in der zweiten Jahreshälfte 1966 gewesen sein, der den Meister für anderthalb Jahre außer Gefecht setzte. Jetzt, nach mehr als 30 Jahren, kommt das Tondokument erstmals offiziell in die Läden. Als Folge IV der BOOTLEG SERIES (die Teile I bis III wurden als 3-CD-Box RARE & UNRELEASED 1961-1991 veröffentlicht) erscheint nun zum ersten Mal das komplette Konzert, inklusive des akustischen Opening-Sets, das auf den Schwarzpressungen so gut wie immer ausgespart blieb.
Die Aufnahmen wurden vom Original-3-Spur-Band in makelloser Qualität neu abgemischt und digital remastert. Mit Ausnahme des erstmals auf dem 3er-Box-Set BIOGRAPH veröffentlichten „It’s All Over Now, Baby Blue“ war keiner der jetzt vorliegenden 15 Songs jemals legal erhältlich. THE ROYAL ALBERT HALL CONCERT ist auch mit mehr als 32 Jahren auf dem Buckel ein Meilenstein der Rock-Historie. Bob Dylan, als einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts, war damals auf dem Höhepunkt seiner kreativen Kraft und seines kulturellen Einflusses. Keines seiner späteren Live-Alben reicht von der Intensität her an die Aufnahmen von dieser ersten elektrifizierten Dylan-Tour heran. Dies ist auch das Verdienst der Begleitmusiker Robbie Robertson (g), Rick Danko (bg),Garth Hudson (org), Richard Manuel (p) und Mickey Jones (dr), die damals als The Hawk bekannt waren. Etwas später sollten die Musiker unter dem Namen The Band selbst in die Annalen der Rockmusik eingehen. Ein Gutteil des Live-Sets (u.a. „Visions Of Johanna“, „Desolation Row“, Just Like A Woman“, Just Like The Thumb’s Blues“, „Leopard-Skin Pill-Box Hat“, „Like A Rolling Stone“) stammt von Dylans Rhythm ’n‘ Blues-infizierten Alben SUBTERRANEAN HOMESICK BLUES (1965), HIGHWAY 61 REVISITED (1965) und BLONDE ON BLONDE (1966), auf denen His Bobness erstmal mit E-Gitarre und Backingband seinen musikalischen Horizont erweiterte. Eine künstlerische Entwicklung, die – zumindest anfänglich – die Anhängerschar spaltete und die Konzerte zu kontovers diskutierten Events geraten ließ.
Auf der einen Seite hielten jüngere Rockfans, die die Beatles, die Rolling Stones oder auch The Byrds mochten, vorbehaltlos zu Bob Dylan. Doch die Folk-Puristen der ersten Stunde mit ihrem Weltverbessereranspruch wetterten gegen Dylans neugewonnene künstlerische Freiheit. Wie konnte das nur angehen, daß ihr vermeintlicher Messias im poppig-gemusterten Carnaby-Street-Anzug mit hochhackigen schwarzen Stiefeln und langhaariger Curly-Frisur auf heißer Rockspur wandelte? Das 2-CD-Set THE ROYAL ALBERT HALL CONCERT gibt diese Spannung perfekt wieder, denn das Publikum teilte sich in zwei Lager. Jubelnde Fans sind ebenso auf den Aufnahmen zu hören wie bitterböse Zwischenrufer. Der legendäre Judas“-Ruf, den Dylan prompt mit einem schlagfertigen „I don’t believe you, you’re a liar“ konterte, ertönte gegen Konzertende. Der nachfolgende, letzte Song, „Like A Rolling Stone“, tönt dementsprechend aggressiv und manisch -Rock ’n‘ Roll-Stimmung pur. Mit „Teil Me, Momma“, dem swingenden Opener der zweiten Konzerthälfte, finden Fans zudem einen Track der Extraklasse, der auf keinem anderen Studio- oder Live-Album erhältlich ist. Zusätzliche Pluspunkte gibt es für das 56seitige Booklet mit den Liner-Notes des langjährigen Dylan-Intimus Tony Glover und das Deluxe-Slip-Case mit zahlreichen prächtigen Originalfotos jener legendären England-Tour.
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