Diverse :: … Next Stop Is Vietnam – The War On Record 1961-2008
Bear Family Records
Alles Mögliche: Eine physisch wie inhaltlich schwere Box: 17 Stunden Musik und 304 Buchseiten über das böseste Trauma Amerikas – und die Reflexe der Popkultur darauf.
Die gängige popkulturelle Wahrnehmung der 60er-Jahre leistet sich, zumindest aus der europäischen Sicht, eine so seltsame wie fatale Ausblendung: Die meisten Nachgeborenen – und erstaunlicherweise auch viele Zeitzeugen – scheinen die 60er heute vornehmlich als großes Partyjahrzehnt wahrzunehmen, als unbeschwerte Zeit des musikalischen und sexuellen Erwachens. Dass diese Jahre für Amerikaner aber fundamental von zwei grausamen Konflikten geprägt waren, den Rassenunruhen im Inneren und dem Vietnamkrieg im Äußeren, und die gesamte Popkultur der 60er ohne diese Erreignisse nicht denkbar gewesen wäre, geht in der Blumen- und Paisley-verzierten Vergangenheitsglorifizierung zunehmend unter. Wichtige Erinnerungs- und Dokumentationsarbeit leistet da einmal mehr das rührige Label Bear Family: Auf 13 CDs versammelt es 334 Tracks mit insgesamt 16 Stunden und 49 Minuten mit Musik sowie Radio- und TV-Ausschnitten zum Thema Vietnamkrieg. Da findet sich dann neben berühmt gewordenen Protestsong-Klassikern wie Pete Seegers „Where Have All The Flowers Gone“, Bob Dylans „Masters Of War“ und Buffy Sainte-Maries „Universal Soldier“ auch Material aus Radio-Ansprachen von Militärs und Politikern wie den Präsidenten Dwight D. Eisenhower, Lyndon B. Johnson und Richard Nixon und dem Truppen-Entertainment von Komiker Bob Hope. Manchen wird überraschen, wie viele Musiker, die gemeinhin nicht der Protestszene zugerechnet werden, sich in ihren Songs mit dem Krieg auseinandersetzten, von Glen Campbell über Huey Lewis bis hin zu Grand Funk Railroad. Zwei der CDs enthalten ausschließlich Musik, die von Kriegsteilnehmern aufgenommen wurde. Das begleitende Buch enthält neben einem Vorwort von Country Joe McDonald, vielen Fotografien und Anmerkungen zu allen Songs auch eine Chronik des Krieges aus der Feder der Historikerin Lois T. Vietri. Die Bilder, die Soldaten mit ihren Radios und tragbaren Plattenspielern zeigen, lassen den Betrachter erahnen, wie unverzichtbar die Musik in diesem „ersten Krieg, der zu einem Soundtrack aus Rock’n’Roll geführt wurde“ (Samuel Freedman in der „New York Times“), für jene armen Teufel war, die das Schicksal in diese Napalm-getränkte Hölle verschlagen hatte.
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