Iggy Pop – New Values

„I’d feel tragic like I was Marlon Brando“, heißt es im Song „China Girl“ von Iggy Pop. Marlon Brando: „Der Mann in der Schlangenhaut“. Wie Brando am Ende des Films mit einer bestialischen/mörderischen Besessenheit gegen den tödlichen Wasserstrahl ankämpft, den die Bürger auf ihn richten (und der ihn in die Flammen treibt), so kämpft James Osterberg alias Iggy Pop unaufhaltsam gegen die ihm auferlegten Erwartungen/ den Druck. Gegen die Kritiker/gegen die um es höflich zu formulieren – Geschäftsleute, die ihn ausnutzen/verheizen. Und er kämpft gegen die Langeweile!

„New Values“ ist Iggy Pops Rache. Denn er hat bisher überlebt, im Gegensatz zum Mann in der Schlangenhaut. Ich bin glücklich und traurig/wütend, daß Iggy wieder da ist. Glücklich, weil „New Values“ das erste Stooges-Studioalbum seit sechs Jahren ist und die direkte Anknüpfung an das Todestrauma „Raw Power“ (1973) darstellt. Und ich bin traurig/wütend, weil ich weiß, daß „New Values“ niemand ernstnehmen/begreifen wird. Jetzt nicht. So, wie’s den Stooges mit „Raw Power“ ergangen ist. In fünf Jahren werden Einige die Entdeckung machen.

Iggy Pop hat „New Values“ selbst finanziert. Mit dem fertigen Produkt ging er dann zu den „Geschäftsleuten“. Das Album ist. wie „Kill City“, in Los Angeles entstanden, der Stadt, die Iggy so haßt und in die er nie wieder zurückkehren wollte. Doch er kam zurück in diese „mörderische Stadt, wo die Trümmerlandschaft auf die weite See trifft“, weil hier die Studios am billigsten sind und weil James Williamson dort arbeitet. „I needed somebody else, again“: „Angel“/Iggy Pop.

James Williamson produzierte „New Values“ und spielt Gitarre. Er ist, verglichen mit Iggy, ein Rationalist. Und Iggy kann nur mit jemandem zusammen eine Platte machen, der auch schon mit ihm auf der Bühne war (Williamson spielte mit Iggy bei den Stooges und auf „Kill City“; seine messerscharfen Gitarrenscheiben beeinflußten eine ganze Generation junger Musiker). Williamson: „Iggy brauchte einen Wendepunkt in seiner Karriere, und ich glaube, ihm dabei gehofen zu haben!“ Seine Produktion stellt Iggys Talent heraus, macht die Musik zugänglicher/ kommerzieller, ohne aber die Bissigkeit und Schärfe, die dämonische Intensität der klassischen Stooges-Aufnahmen zu verlieren.

Die Band: Scott Thurston, Keyboards und Gitarre; Jackie Clark (ex-Ike u. Tina Turner Band). Baß; Klaus Krieger (Iggys „bester Freund aus Berlin“, ex-Tangerine Dream), Schlagzeug; John Harden. Saxophon; Earl Shackleford und die Alfano Sisters (katholische Zwillinge aus Texas) Back-up Gesang.

I’m heavy as a horse/I’m stubborn as a mule/And nobody breaks my rules/I’m looking for one new value/ But nothing comes my way!“ ‚New Values’/ Iggy Pop. Die ganze anarchisch alles negierende Rebellion der Stooges lebt in Iggys Titelsong wieder auf/bleibt bestehen. Und die Musik – mein Gott, wenn die „Dum Dum Boys“ nicht 1974 gestorben wären, overdosed und auf ihren Knien, dann hätte diese Wild Bunch heute nicht anders getobt! Williamsons Gitarre schneidet/ sticht gegen Ende des Songs, doch anders als auf dem apokalyptischen ‚Raw Power‘ merkt man – dank der brillianten Produktion! – daß hier eine ganze Band spielt.

Auch die übrigen Rocker der LP haben all die Wildheit/Wucht von „Shake Appeal“/ „Tight Pants“: „Five Foot One“ ( „… I wish life could be sweet as magazines!“), „Curiosity“ (mit dem Selbstbekenntnis „I’m a rebel with anxiety“), „Billy Is A Runaway“, „Girls“ und „I’m Bored“ (Iggys Lieblingsthema/ Hauptproblem: „I’m chairman of the bored/And I live like a dog“).

“ Angel“, „Don’t Look Down“ (…“And when I hear that crazy sound/I don’t look down“ singt Iggy mit Chorbegleitung, während langsam ein anarchisches Saxophon a la „Fun House“ einbricht) und „Endless Sea“ sind quälende/ dich verfolgende Manifeste. „Endless Sea“ beginnt zeitlupenhaft mit klopfenden Drums und einem schleppenden Baß; und dann haut es uns Iggy um die Ohren: „Oh baby what a place to be/in the Service of the bourgeoisie/ I wanna jump into the endless sea/let it wash all over me!“ Der aufheulende/stechende Synthesizer übernimmt die Rolle der Williamson-Gitarre. Die gespenstische/aggressive Atmosphäre erinnert an das düstere „Dirt“ der Stooges.

Der Höhepunkt des Albums ist „African Man“, ein beißendes Rhythmusstück voller Witz und Ernst. Iggy Pop als tragischer Clown. Der Song dokumentiert Iggys einmalige Fähigkeit, mit seiner Stimme/ seinem Gesang zu improvisieren. Und er gibt Einblick in die Person James Osterberg: „I luv you monkee-dee, monkey-do/I live in the bush/Tm an african man and I do what I can/Go home you dirty white man… I hate ya…/It’s good in the jungle!“

„Nichts ist wahr – alles ist erlaubt“, dies ist das Motto des Iggy Pop. Ein Idiot, der Lust zum Leben hat und nach neuen Werten sucht …but nothing comes his way.