Die Plattenfirma schlug voll zu: „einmalig, Joan Baez singt deutsch“ steht da auf einem feuerwehrrotem Stikker, der die Vorderseite verunziert, als war’s ein Machwerk von der Goombay Dance Band. Also: Joan Baez singt deutsch, unter anderem das wunderschöne Lied „Kinder (Sind So Kleine Hände)“ von Bettina Wegner in einer durchaus eigenständigen Interpretation. Außerdem singt sie spanisch, russisch und natürlich englisch, darunter Titel wie „Don’t Cry For Me Argentina“, The Boxer“, „For Sasha“ und „Diamonds And Rust“ – alles Glanzlichter ihrer letztjährigen Deutschlandtournee. In Spanien, Frankreich, auf der Loreley und in Würzburg wurde dieses Album mitgeschnitten. Da es von Joan Baez schon Live-Platten gibt, hat man sich bemüht, aus der neuen etwas Besonderes zu machen. Obwohl sich eine Joan-Baez-Tour problemlos zu einem Triple-Album verarbeiten läßt, ist EUROPA-TOURNEE eine schlichte Einfach-LP mit elf Songs. Der eindeutige Bezug zu Europa fällt ebenso auf, wie das Bemühen, nicht schon wieder das hinlänglich bekannte Standard-Repertoire zu verbraten. Auch die Begleitmusiker, die nach Tournee-Schluß ins Studio geholt und hier und da dezent eingemischt wurden, unterstreichen die Absicht, diese Live-Platte sozusagen als reguläre Veröffentlichung laufen zu lassen. Ein wenig kurz geriet sie allerdings: 32 Minuten, 46 Sekunden, da hatte gut noch jenes arabische Lied dazugepaßt, das in den Konzerten jedem auffiel.

Trotzdem: Joan Baez hat eine sehr gute LP eingespielt, und sie wirkt nach all den Jahren gereift und selbstsicher. Sie ist zudem sanfter und dennoch unbeugsamer denn je. „Leute ohne Rückgrat haben wir schon zu viel“, singt sie. Wir halten noch viel mehr davon, gäbe es nicht diese Frau und ihre Musik.