John Lennon – Rock n Roll

Ein sonderbares Album auch mit dem Abstand von fast 30 Jahren. 1974 war John Lennons Leben alles andere als in Ordnung. Seine Aufenthaltsgenehmigung für die USA hing seit Jahren – enervierend für alle Beteiligten an einem seidenen Faden. Seine Beziehung zu Yoko Ono war zerrüttet und lag seit Oktober 1973 auf Eis. Mit May Pang hatte er eine neue Liebe und mit seinem Kumpel Harry Nilsson ein Saufgelage nach dem anderen. Zu allem Übel war ein anderer Kumpel. Phil Spector, mit den Bändern einer Session, bei der Lennon alte Fünfziger-Jahre-Rock’n’Roll-Standards aufgenommen hatte, nach einem Streit durchgebrannt. Erst im Sommer 1974 konnte John Lennon die Tapes wieder an sich bringen. Beruflich indes feierte der Ex-Beatle Ende 1974 einen seiner größten Erfolge: Die Single „Whatever Gets You Thru the Night wurde im November zu seiner ersten Solo-Nummer-1 in den USA. Zu dieser Zeit, kurz nach der Veröffentlichung von WALLSAND BRIDGES. war er schon damit beschäftigt, ROCK’N’ROLL fertig zu stellen. Neben dem Material, das er mit Spector aufgenommen hatte („Sweet Little Sixteen „You Can’t Catch Me“, „Slippin‘ And Slidin“, „Bony Moronie“ und „Just Because“], produzierte John Lennon Songs wie Gene Vincents „Be-Bop-A-Lu-La“, Ben E. Kings „Stand By Me“, Buddy Hollys „PeggySue sowie zwei Medleys. Es war die Musik, mit der der Beatle aufwuchs, als er im heimischen Liverpool mit den Quarrymen seine eigene Skiffle-Gruppe auf die Beine stellte. Einfache, solide Rocker. Und die spielte er nun als eine in jeder Note hörbare Ergebenheitsadresse an Phil Spectors berühmten Wall Of Sound, an die fetten 50s-Saxofone, an die Erfindung der Hallspirale und generell den Sound von Fats Domino. ROCK’N’ROLL ist eine ganz und gar nostalgische Rückschau, ohne jeden modernistischen Anspruch, unter völligem Verzicht auf den kreativen Querkopf Lennon – der Beatle interpretiert hier ausschließlich, aber mit jeder Menge eigener Duftmarken. Zum Beispiel dem großen Sentiment in Lloyd Prices „Just Because „, dem raffinierten Bläserarrangement in Chuck Berrys „You Can’t Catch Me“ und dem gedrosselten Tempo von „Sweet Little Sixteen“. Der remasterten Neuausgabe der CD wurden vier Bonustracks, darunter eine sonderbare Version der Spector-Schnulze „ToKnow Hirn Is To Love Hirn“, zugegeben. Fazit: kein „richtiges “ John-Lennon-Album eigentlich, aber eine der schönsten und vitalsten Platten des ehemaligen Beatle.