Kurz & Klein

Als Schauspielerin gibt Juliette Lewis immer leicht verdrehte, psychotische Typen. Mit ihrer Band Juliette & The Licks spielt sie die leicht verdrehte, psychotische Rockstann, circa Courtney Love J994. Die EP „… Like A Bolt Of Lightning“ (Hassle/PIAS/Rough Trade) wäre vielleicht vorzehn Jahren ein mittleres Sensariönchen geworden, aber heutzutage ist grungy G uns-1 N -Roses-Musik auch keine Lösung mehr. Vielleicht bringt ihr das mal jemand schonend bei. Danke.

Schade, daß sich die Popmusik dem Auf und Ab der Mode bedingungslos unterordnet. Sonst könnte man TANK (Labels/Virgin) der Asian Dub Foundation guten Gewissens empfehlen. Aber heute müffelt Breakbeataufgeladener Asian Underground wie ein nasser Hund.

Das ist toll. Phantom Buffalo aus Amerika. Wir wissen nicht, was der Albumtitel SHISHIMUMU (Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade) bedeuten soll, er liest sich jedenfalls wie irgendwas Unanständiges. Und die Musik klingt wie eine Mischung aus den noch langsam gewesenen Low und Belle & Sebastian. In drei Silben: wun-der-bar.

Vielleicht ist TAGESTHEMEN (Hausmusik/Indigo) von Berend ein verdammter Grower. Ich weiß es nicht. Zurzeit ist es noch Strokes-Riff-getriebener Indie-Rock mit betont cool-gelangweilt gesungenen Zeilen wie „Ich verstehe schon, das Leben ist ein Goldschatz.“ Dieses Album ist auch ein Goldschatz. Es heißt SLEEPWALKS IN THE GARDEN OF THE DEAD ROOM (Track And Field Organisation/Cargo) und stammt von Currituck Co., keiner Band, sondern einem Mann, der Kevin Barker heißt. John-Fahey-Bert-)ansch-Fingerpicking, Celli, Nick-Drake-Gesang. Sanfte Verzweiflung vertont. Bitte kaufen!

Nicht, daß die von Tapete wieder anrufen. Nein, Wolke und ihr Album SUSENKY (Tapete/Indigo) kann man guten Gewissens gut finden, wenn man einen soft spot hat für Früh-um-halb-vier-nasser-Asphalt-halbleeres-Glas-Rotwein-Musik mit Klavier, Baß, Beatbox und deutschen Beziehungs-Texten.

Und wieder eine hoffnungsvolle Nachwuchsband aus dem Mutterland des Rock’n’Roll: Dänemark. Traening klingen auf BETTER THAN THIS (HelicopterRecords/ Cargo) wie eine Mittneunziger Post-Hardcore-Band (Guided By Voices, Girls Vs. Boys), die sich jemanden wie Björk als Sängerin ausgeliehen hat, ohne daß diese Björk jodelt, sondern poppig singt. Und das ist doch auch schon was: Björk, die poppig singt.

Angepsychter Gitarrenpop aus Winnipeg, Kanada, wird niemals verlieren. SONGS FROM A SECOND WAVE (Rainbow Quartz/MMS/Alive) von The Telepathie Butterflies ist schon irgendwie gute „Atomic Cafe“-Musik, Sixties-soundästhetisch, wenn du verstehst. Aber irgendwie ist das alles ein bißchen sehr hingeschlonzt. Und die Songs fehlen. Keine Songs. Leider.

Marco Passarani ist der Volkhecker der italienischen elektronischen Musik und sullen LOOK (Peacefrog) sein Debütalbum für das legendäre Peacefrog-Label. Das ist ein fiepsender Bastard aus DetToit-Techno, Electro und funky HipHop.

Wenn Musikchefs von Monatsmagazinen Musik machen, könnte das ungefähr so klingen wie That Summer. Das ist das Projekt von David Sanson, dem Musikchef des französischen Monatsmagazins MOUVEMENT. „Clear“ (Talitres/Rough Trade), das dritte Album des Musikchefs, hat zwei Hände voll „urbaner Popsongs“ (also Lieder, hinter denen es elektronisch fiepst und knispelt), die zum einen Ohr reingehen und zum anderen wieder raus. Das reicht aber den Liebhabern französischer Popmusik meistens schon, um französische Popmusik furchtbar lieb zu haben.

Es geht auch anders in Frankreich. Don Nino, der in Wirklichkeit Nicolas Laureau heißt, beweist das mit seinem Album ON THE BIRGHT SCALE (Prohibited Records/Cargo). Das ist urbaner (Folk-)Pop in richtig und gut. Kleine, feine Lieder mit noch kleinerer und feinerer Instrumentierung (Akustikgitarre, Orgel, Harmonium, Banjo) und fiepsender, plinkernder Elektronik, die nicht da ist, damit was fiepst und plinkert. sondern sich harmonisch in die Musik einfügt, die auch von Jim O’Rourke stammen könnte, um diesen Namen wieder einmal fallen zu lassen.

Die „Silizium EP“ (Shitkatapult/Alive) hat fünf Aufnahmen (plus vier Remixe davon) die Apparat aka Sascha Ring im Mai 2004 in London für die „John Peel Sessions“ gemacht und später in Berlin nachbearbeitet hat. Das ist schöne Post-Knispel-Techno-Notwist-Musik, die man mittlerweile auch Pop nennen darf, weil sie wärmt wie ein Taschenofen im Winter.

Mathias Schaff häusers Coverversion des Achtziger-Jahre-Icehouse-Songs „Hey Little Girl“ führte ja 2001 die Liste der peinlichsten Lieblingssongs des Jahres jedes anständigen Musikinteressierten an. „Hey Little Girl“ machte aber auch das Dilemma Schaffhäusers offenbar, diese Zerrissenheit zwischen Bum-Bum-Ibiza-Alkoholleichen-Techno einerseits und der guten Seite (Mathias Schaffhäuser ist der Chef des Kölner Ware- Labels). COINCIDANCE (Ware/Al!ve) ist mehrheitlich auf der guten Seite zu Hause. Tech-House. der auf dem Dancefloor funktioniert, den du dir aber auch intellektuell schönhören kannst.

Und dann wäre da noch das neue Album von Westernhagen. NAHAUFNAHME (Warner) heißt es. Und, huch, jetzt ist der Platz schon aus.