Ladytron :: 604

Light And Magic

Best Of Ladytron 00-010

Nettwerk/Soulfood

Die Wiederkehr des Synthiepop noch vor der Entdeckung der 80er-Jahre. Oder: Das schwarze Terrorkommando aus dem Menschmaschinenlabor unserer Imagination.

Wenn ein Mangazeichner sich das Menschmaschinenlabor von Kraftwerk hätte vorstellen sollen, wäre am Ende vielleicht das Cover der Mu-Tron-EP aus dem Jahr 2000 dabei herausgekommen. Es zeigt ein schwarz uniformiertes Quartett, das genauso gut ein androides Terrorkommando wie eine Boy-meets-Girl-Group hätte abgeben können. So viel Irritation war erwünscht, die Band Ladytron spielte mit unserer Imagination und setzte mit ein paar todschicken Tönen aus den Grabbelkisten der Vintage-Electronica eine ganze Wiederentdeckungsmaschine in Bewegung. Ihr Debütalbum 604 aus dem Jahr 2001 enthielt mindestens drei Tracks für die Ewigkeit: den durchtriebenen Synthie-Disco-Heuler „Playgirl“, der von der Entfremdung im Popbetrieb erzählte („Playgirl, why are you dancing when you could be alone?“), die hochromantische Ode an denselben Popbetrieb, „He Took Her To A Movie“, halb Kraftwerk-Klau, halb Girl-Group-Fantasie, und das ganz frühe Stück „Another Breakfast With You“, das heute wie eine Blaupause für so ziemlich alles zwischen Crystal Castles und La Roux dasteht. Die 16 Tracks des Albums (in der Neuauflage ergänzt durch drei Live-Aufnahmen und einen „Playgirl“-Remix) haben den test of time mühelos bestanden, sie waren immer schon ein ziemlich clever arrangiertes Zitat- und Verweisspiel; Ladytron dealten mit Krautrock und The Human League, sie liebäugelten mit analogem Klingklang und borgten sich den Chic der Stunde bei Style-Bands wie Pizzicato Five. Dass diese Mixtur so formidabel über die Länge eines üblichen Popsongs trug, lag an der großen Stilsicherheit, die Daniel Hunt, Reuben Wu, Helen Marnie und Mira Aroyo von Anbeginn an demonstrierten – zu einer Zeit, als noch nicht jede dritte neue Band sich auf die Ästhetik dieser synthetischen 80er-Jahre beziehen wollte. Auf Light & Magic, Album Nummer zwei im Jahr 2002, verabreichen Ladytron ihrem Sound wirksame Dark-Wave-Injektionen und fahren via House-Beats auf den Dancefloor („Flicking Your Switch“). Der jetzt hinzugefügte Soulwax-Remix vom Hit „Seventeen“ erinnert daran, dass diese Musik auch ganz vorteilhaft Bowie und Roxy Music beerbt. Die „Entwicklung“, die sich das Quartett im Laufe des Jahrzehnts gönnte, mündete in cinemascopisch angelegten Synthiepopsongs, die Hymnen zu nennen keine Übertreibung ist („Destroy Everything You Touch“), nachpfeifbaren Liedern wie „Runaway“, die sich als Konsolenmusik qualifizierten, aber auch in hüftlahmen Synthierock-Stücken („Deep Blue“) – alles nachzuhören auf der parallel zu den Originalen veröffentlichten Best-of-Compilation, die sich einen Punktabzug dafür verdient, dass sie nur zwei Tracks vom Grund und Boden erschütternden Debüt enthält.

Bobby Conn