Mick Kam – Titles

Eine ganz merkwürdige Platte!

Mick Kam ist Bassist und die optische Nummer zwei bei Japan, wobei seine musikalische Rolle wesentlich höher einzuschätzen ist, denn gäbe es bei Japan nicht sein ausgeprägtes Baßspiel, so müßte Sänger David Sylvian seine verträumten Sehnsüchte wahrscheinlich vor dem üblichen, wenig profilierten Keyboard/Percussion-Background ausbreiten. Kams Spiel am bundlosen Bass bedeutet jedoch das spannende Pendant zu Sylvians gefühlvoller Stimme und damit 50% dessen, was Japan zu einer besonderen Band macht.

Man konnte also auf TITLES gespannt sein, zumal die vorab veröffentlichte Single „Sensitive“, produziert in Zusammenarbeit mit Kim-Bruder Ricky Wilde, zu den entwaffnendsten Popsongs dieses Jahres gerechnet werden muß.

Wer aber nun glaubte, TITLES würde mehr davon enthalten, der sieht sich getäuscht: Kam bringt auf der ersten Seite ausschließlich instrumentale, last meditative Nummern, die sich stilmäßig zwischen fernöstlicher Volksmusik und Post-New Wave-Avantgarde ansiedeln: ein ideales Tummelfeld für seine Bass-Künste (Lead- und Rhythmus-Parts). Hier bleiben Übertreibungen nicht aus, vor allem auf dem abschließenden „Weather The Windmill“, doch lassen sich die exotischen Klangbilder leicht in den Tagesablauf integrieren, denn die bei solcher Musik gefürchteten Längen hat Kam mit geschickt organisierten, sparsamen Arrangements vermieden.

Seite zwei ist leichter zugänglich. Kam singt auf allen vier Tracks mit seiner sympathischen, technisch optimal in Szene gesetzten Nicht-Stimme, verarbeitet in „Saviour, Are You With Me?“ geschickt angedeutetes Gospel-Feeling, jazzige Sax-Parts und Natur-Perkussion, bringt auf „Trust Me“ seine verspielte Version traditionellerer Soul-Musik, haut mich mit seinem Bass-Thema und dem unabweisbaren Chorus von „Sensitive“ einmal mehr von den Füßen und läßt diese zweite Seite mit der begeisternden Psychedelia von „Piper Blue“ enden.

Erstaunlich, wie Kam es schafft, dies alles unter einen Hut zu bringen und dabei Stil und Gesicht nicht überzustrapazieren. Ein Risiko, daß nur der eingehen kann, der genau weiß, was er will. Und was er kann.

Eine unheimlich vielseitige Platte! Teilweise vielleicht noch im Experimenüerstadium (was Kam auch zugibt), aber dennoch faszinierend.