Midlake im Udo, Berlin

Bei Midlake hat fast alles und beinahe jedes Bandmitglied soo einen Bart. Die Vergangenheit erscheint ihnen reicher und wertvoller als die Gegenwart, die späten 60er- und frühen 70er-Jahre leuchten ihnen als eine Zeit heim, in der der Rock, aber vor allem der Folk keine leichtfertige, aus der Laune bespielbare Option war, sondern ein Blutsbruderkuss, ein an der Ewigkeit festgezurrter Blick zum Horizont, eine weitaus mehr als nur handwerkliche Tradition, die direkt in die Utopie münden konnte. Schauen wir der Band aus Denton an diesem Abend im ausverkauften Lido in die Augen, können wir sie sogar sehen – ihre große Hingabe zu ihrer alten Sache. Der Blick ist klar und fokussiert scheinbar das gesamte Panorama. Ernst und konzentriert bieten Midlake ihre Musik dar, gelächelt wird nur, wenn sich das gebannte Publikum zwischen zwei Songs schier ausschüttet vor Begeisterung und Dankbarkeit.

Obwohl sich die Texaner der Vergangenheit zuwenden, wirken sie nicht nostalgisch. Die Band schreitet ins Gestrige voran wie zu neuen Ufern, durch Länder, die zwar bereits erforscht wurden, doch das bedeutet ja nicht, dass es dort nichts mehr zu entdecken gibt. (Und wenn eine Band auch nur die schönsten mehrstimmigen Schwärmereien und Schmachtereien für sich ergründet, wie sie seit den Höhenflügen der Softrocker America keiner mehr so hinbekommen hat, ist das ja auch schon einiges wert.) Der Schritt Richtung Britfolk, den Midlake auf ihrem dritten Album THE COURAGE 0F OTHERS vollzogen haben und der dafür sorgt, dass statt Synthesizern u. a. gleich zwei Querflöten zum Einsatz kommen, wird live zwar nicht relativiert. Aber sie haben sich für die Bühne vor allem deshalb vom Quintett zum Septett erweitert, um an bis zu vier Gitarren die elektrisch verstärkte Seite des Folkrock weiter auszubauen. So schieben sie ordentlich und schlepprocken mit schönen Schnörkeln, und sie lassen sich dafür Zeit. Nächste Ausfahrt: Crazy Horse.