Neonbabies – Harmlos

Aus den Neonbabies, den niedlichfrechen Nesthäkchen der Berliner Szene, sind dicke Kinder geworden. Überfüttert von dem Junk-Food, das nicht nur die Alete-Industrie der jüngsten Generation ins vertrauensvoll aufgesperrte Mündchen schiebt. Uberdosis garantiert. Und jetzt sind die Neonbabies schwammig, aufgeschwemmt, häßlich, bewegungsunfähig, unglücklich und verhärmt, ohne selber die Ursache zu kennen. Schon mit ihrer zweiten LP sind sie so unförmig wie die vorausgegangene Generation, die Brontosaurier des Deutschrock. Das neue Album HARMLOS klingt jedenfalls nach Großmannssucht. Sich selbst zu wichtig genommen. Da paßt nichts zueinander. Die Gitarre bringt mich um: ratlos baumelnd zwischen ein paar Heavy-Riffs und dem Wunsch nach Reduktion ergibt sich die selbe Sülze wie beim Schlagzeug – stillos. Selbst Reinhard Meermanns Saxofon, das auf der Debüt-LP noch so herrlich durch die Nackenhaare der Zuhörer gepustet hatte, wirkt jetzt so künstlich wie der eingefärbte Zukkerguß auf einer synthetischen Hochzeitstorte aus den Requisitenkammern der Hollywood-B-Movies. Gut sind die Neonbabies nur noch, wenn sie italienisch singen, und wenn Inga nach bester Herdecker-Schule kiekst und kratzt, zum Beispiel im Refrain von „Angelogen“. Wenn aber Inga als Mittzwanzigerin singt: „Du hast mich rumgekriegt“, dann will und kann ich sie nicht mehr ernst nehmen. Wie immer liegt der Waschzettel der Plattenfirma haarscharf daneben. Dort steht zu lesen: .Die Musik der Neonbabies ist eine Mischung, die Stil/etischisten zum Weinen bringt.“ Erstens muß man kein Fetischist sein, um zu erkennen, daß die Neonbabies einlach keinen Stil (mehr) haben, und zweitens sind sie nun wirklich nicht mehr so wichtig, daß man deswegen gleich weinen müßte. 2 Karl Kraut