Nick Cave & The Bad Seeds :: Nocturama
VÖ:3.2.2003
Was für ein Einstieg. It’s a wonderful life/If you can find it“, fleht, hofft, beschwört, wunschdenkt Nick Cave zu Beginn von Nocturama in „Wonderful Life“. Dazu die Bad Seeds in all ihrer schäbigen, abgefuckten, romantischen, melancholischen Pracht. Blixa Bargeld auf der Pedal Steel Guitar, und Cave selber mit einem fast beschwingten Piano und einer bedrohlich rollenden Hammond-Orgel. Erinnerungen an „(What A) Wonderful World“, Caves Duett mit Shane MacGowan – zwei Gestrandete, der eine betäubt von Heroin, der andere zerfressen vom Alkohol, und ihr Bekenntnis zu einer besseren Welt, die das Ende ihrer Kunst bedeuten würde, wenn sie jemals dort ankommen würden. Welch wunderbare Welt, welch wunderbarer Song. Was war nochmal ein Song? Worte und Musik, die in der Summe mehr sind als Botschaft und Klang, sondern ein transzendentales Ereignis. Ein Text, der berührt, weit er eine Geschichte erzählt, – im besten Fall – den Seelenzustand des Autors widergibt und eine Melodie, die nicht mehr loslässt. Deshalb werden die besten Songs auch nicht von Musikern geschrieben, die – verstrickt in Harmonielehre und Hardware-Probleme – den Blick fürs Wesentliche verlieren, sondern von Poeten wie Bob Dylan, Van Morrison, Leonard Cohen, Will Oldham oder Nick Cave. Der besitzt die Gabe, scheinbar mühelos, reihenweise Songs zu schreiben, deshalb kann er auch keine schlechten Platten machen. Drei Stücke auf Nocturama fallen aus dem Rahmen: „Bring It On“, ein Duett mit Saints-Sänger Chris Bailey, und „Dead Man In My Bed“, ein punky uptempo Song und „Babe, Im On Fire“, eine über 14-minütige, hingerotzte Jam-Session, stilistisch zwischen Your Funeral … My Trial und Tender Prey beheimatet. Drei von sieben Stücken, die Nostalgiker entzückt ausrufen lassen, Cave habe „endlich wieder eine Rockplatte“ gemacht. Dass Nick Launay, der vor Jahren die Birthday Party-Single „Release The Bats“ produziert hat, sich heute um Bands wie Semisonic, Silverchair oder Girls Against Boys kümmert, das Album co-produziert hat, stützt die These von der Rockplatte. Blödsinn. Nocturama ist die Essenz von Nick Cave, ein Bekenntnis zum Song, liebevoll instrumentiert (wieder dominiert Dirty Three Warren Ellis an der Violine), behutsam arrangiert zwischen folkiger Wehmut und zerbrechlicher Schönheit.
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