Radiohead – Amnesiac :: Experiment-Rock: Außerirdisch
Als Radiohead zum Erscheinen von Kid A letzten Herbst ein neues Album bereits für dieses Frühjahr ankündigten, ging bald die Rede, dieses solle wieder etwas „zugänglicher“ ausfallen. Wie angebracht es ist, von der aufregendsten experimentellen Rockband unserer Tage „Zugänglichkeit“ einzufordern, sei einmal dahingestellt: Amnesiac ist nicht zahmer oder sperriger als seine Schwester, sondern einfach ein ebenso herausforderndes und schönes Stück Musik. Radioheads Radikalität (der Band eher nachgesagt als von ihr postuliert) ist nicht grell, sondern besteht bei aller Zerrissenheit, die ihrer Musik innewohnt, darin, an anderen als den bekannten Orten Schönheit zu suchen. Eine verstörende, archaische Schönheit wie auf dem polyrhythmisch pulsierenden „Packt Like Sardines In A Crushd Tin Box“ oder dem monoton, fast, ähem, funky über einem Gitarrenriff pluckemden „I Might Be Wrong“. Eine erhabene, außerirdische Schönheit wie auf dem pianogetragenen „Pyramid Song“ mit Jonny Greenwoods himmelweiten Streichern. Eine dunkel funkelnde, tieftraurige Schönheit wie die des um eine Jazz-Harmonie gebauten „You And Whose Army“ mit seiner trotzig-müden „Karma Police“-Atmosphäre. Eine kühle Schönheit wie der zugleich organisch und vollsynthetisch anmutende Maschinen-Klang von „Pull Pulk Revolving Doors“ oder des spukigen, unglaublichen „Like Spinning Plates“. Eine unnahbare, doch anziehende Aura, die auch weniger befriedigende Tracks wie das Instrumental „Hunting Bears“ (Yorke klampft auf einer Zerr-Citarre) oder eine etwas unmotivierte Version des Kid A-Songs „Morning Bell“ umgibt. Und die wie auf Kid A am Album-Ende mit einer grandiosen Klimax entschwebt: Wo dort 1000 Harfen flirrten, schreitet hier „Life In A Class House“ mit einer leibhaftigen New Orleans-Begräbnisband zur Stadt hinaus. Und wer hätte das nun wieder erwartet? Radiohead musizieren in einer anderen Welt. Vielleicht ist man dankbar, dass sie einen dahin mitnehmen.
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