Simple Minds – Sons And Fascination

Die schottische Band Simple Minds hatte einmal in einem Interview prophezeit: „Erst unsere vierte oder fünfte Lp wird wirklich einen eigenständigen Stil besitzen“.

Ganz so lange hat es nicht gedauert, aber in der Tat ist ihr viertes Album SONS AND FASCINATION von jener raren Qualität, die oft nur Debut-Alben hochgelobter Neuentdeckungen besitzen. Sänger Jim Kerrs Texte sind Assoziationsspiele, in denen ein Wort das nächste Thema ergibt— und ähnlich ist es mit der Musik. Das erinnert in der Arbeitsweise an die Talking Heads und, wenn auch auf einer weitaus europäischeren Ebene, besitzen Simple Minds die gleiche Intensität, Musik für Kopf und Bauch zugleich.

Die Produktion von Steve Hillage ist exzellent, kommt dem latenten Psychedelic-Gefühl der Simple Minds sehr entgegen. Die fließenden, kompakten Arrangements besitzen ungemein Höhe und Tiefe und erstaunliche Transparenz, so daß der elegische Grundtenor niemals ausufert oder in billige Romantik abschlittert.

Eigentlich ist es unnötig, einzelne Stücke hervorzuheben und zu empfehlen, denn dieses Album ist ein Ganzes, ein Stück Musik, das Spannung und Dramatik bis zum Schluß durchhält, aber mir haben es besonders „70 Cities As Love Brings The Fall“ angetan, das wirklich an den Nerven zerrt und rüttelt, oder die wunderschöne Ballade „Seeing Out The Angel“, das einen Touch von Bryan Ferrys besten Arbeiten besitzt. Jim Kerrs Leiden an der Welt, das er immer wieder als Liebes- und Haßgeschichten verarbeitet, wobei menschliche Beziehungen zu Beziehungen zwischen Nationen abstrahiert werden, ist echt — keine Pose, keine wehleidige Attitüde, und deshalb leidet man gern mit ihm, im Gegensatz zu vielen anderen düsteren Weltuntergangs-Propheten. Denn Kerr ist kein Egoist und er gibt auch zu, daß all das moderne Elend einen Chrom-Glanz besitzt, der so fasziniert, wie es die Polaroids auf dem Platten-Cover tun. Deshalb sein letzter Satz auf der LP „Seeing Out The Angel: Singing Fascinations“.