The Police :: Message In A Box
Wie aus Mochtegern-Punks die ersten New-Wave-Megostars wurden.
Das Timing könnte nicht besser sein: Just als Sting die seit Wochen kursierenden Gerüchte um eine Wiedervereinigung von The Police zum 30. Jubiläum offiziell bestätigt, liegt die einzige Anthologie des Trios als opulentes EarBook vor. Das erstmals 1993 aufgelegte 4-CD -Set MESSAGE IN A BOX ist ein ebenso umfangreicher wie nahezu lückenloser Rückblick. 78 Tracks illustrieren den künstlerischen Werdegang einer bemerkenswerten Band. Verpackt ist das Ganze in ein 5o-mal-5o-Zentimeter -Buch mit zahllosen Fotos auf über 100 Seiten.
In strikter Chronologie wird der Zuhörer durch vier Alben-Klassiker, eine Handvoll Singles, rare B-Seiten, wenige Outtakes und diverse Konzertmitschnitte geführt und erkennt in der Materialflut schnell: The Police gingen in die Popannalen nicht wegen ihrer Radikalität, Innovations- und Experimentierfreudigkeit ein. Die weltweite Popularität und der bis heute nachwirkende Mythos erklären sich durch ganz andere Faktoren. Im Revolutionsjahr 1977 empfehlen sich drei zwischen die Generationen geratene Musiker von beeindruckender Virtuosität als Trojanisches Pferd. Nehmen Establishment, aber auch dem einen oder anderen Pink-Floyd-Fan die Angst vor furchterregenden Genres wie Punk, New Wave, Dub, Reggae und World Beat. Wie ein Schwamm saugt das Triumvirat den nihilistischen Underground der Umbruchphase auf. Integriert das Neue, das Unbekannte auf moderate Weise. Filtert die Essenz zu solidem Pop und überfuhrt das Derivat schließlich in den Mainstream. Komplett ausgeblendet wird dabei das Schrille, Schräge, Verquere und Gefährliche der sich auch als politisch verstehenden Punk-Bewegung.
Das geschieht nicht zwangsläufig bewusst. The Police sind zu sehr Kinder ihrer Zeit, als dass sie die künstlerische Eigendynamik zwischen Studioaufnahmen, Dauertourneen und spärlicher Freizeit in vollem Umfangbegreifen. Verwurzelt in Rhythm’n‘ Blues, Psychedelic, Folk, Jazz und Prog-Rock, sind die Mitglieder eindeutig der Prä-Punk-Generation zuzuordnen. Doch nutzte das Trio die Gunst der Stunde in einer Ära, als der in die lahre gekommene Rock’n’Roll von stachelhaarigen Rabauken mit Faible für Sicherheitsnadeln eine intensive Verjüngungskur verpasst bekam. Nach der bemerkenswerten Single „Fallout“ laufen Andy Summers, Stewart Copeland und Sting im Herbst r 978 mit dem spartanisch arrangierten Debüt zur Höchstform auf. Ein günstiger Moment: Auf einer US-Tour waren gerade die Sex Pistols implodiert, und der Clash-Meilenstein LONDON CALLING ließ noch rund zwölf Monate auf sich warten.
In gleich mehrfacher Hinsicht entpuppt sich outlan-DOS d‘ A MOUR 4 als bemerkenswert: Zum einen, weil es Sting, ehemals Sänger und Bassist des schottischen Jazz-Rock-Ensembles Last Exit, als erstaunlichen Beobachter und visionären Komponisten mit Gespür für Massengeschmack präsentiert, der mal eben kantige Ohrwürmer wie „Roxanne“, „Can’t Stand Losing You“, „Hole In My Life“, „Born In The 50 V und „So Lonely“ aus dem Ärmel schüttelt. Zum anderen, weil die mit einem Mini-Budget eingespielten zehn Tracks als Blaupause für zumindest zwei weitere Longplayer dienen: REGATTA DE BLANC und ZENYAT-TA MONDATTA. Nur geringfügig stromlinienförmiger als der Vorgänger, gelingt REGATTA DE BLANC 4,5 mithilfe der Auskopplungen „Message In A Bottle“ und „Walking On The Moon“ das Unglaubliche: Album und Singles landen in den UK-Charts auf der Pole-Position. Die ebenfalls von Sting verfassten Songs „Bring OnThe Night“ und „The Bed’s Too Big Without You“ liegen wenige Wochen später in diversen Coverversionen vor. Das Erfolgsjahr 1980 birgt für die frisch etablierten Megastars des New Wave, „eine von Millionen Teengirls umschwärmte Boy -Band“ ‚, wie sich Stewart Copeland Jahre später an jene Periode erinnern sollte, einige Überraschungen: Ausgerechnet mit dem schwächelnden, in der Karibik eingespielten ZENYATTA MONDATta 3 schaffen The Police den Durchbruch in den USA. Mit „Driven To Tears“, „Man In A Suitcase“ und „Canary In The Coalmine“ gelingen immerhin populäre Konzertfavoriten. Da lassen sich selbst banale Single-Hits wie das dümmliche „De Do Do Do, De Da Da Da“ verkraften. Mit dem düsteren ghost in the machine 4 einem Konzeptwerk nach den Thesen des philosophischen Schriftstellers Arthur Koestler, der eine von Computern regierte Welt prophezeit, wird’s dann prätentiös. Abgesehen von der abermals luftig-karibisch gefärbten Single „Every Little Thing She Does Is Magic“ ergeht sich Sting bei „Spirits In A Material World“, „Invisible Sun“, „Darkness“ und „Demolition Man“ – Letzteres spätei göttlich von Grace Jones gecovert – nicht nur inhaltlich in Schwarzmalerei. Immer öfter fragt sich der frisch geschiedene Jungmillionär: „Was kommt nach The Police?“
Noch einmal raffen sich der mittlerweile über seine eigene Wichtigkeit recht erhaben gewordene Sting und seine beiden in Assistentenrollen degradierten Mitspieler auf, um ihr künstlerisches Potenzial in einem gemeinsamen Werk zu zementieren. Mit dem von Psychoanalyse-Pionier CG. Jung inspirierten SYNCHRONICITY 5 gelingt The Police das erste Album, das sich auf beiden Seiten des Atlantiks auf Rang eins der Charts platzieren kann – der Songzyklus katapultiert The Police endgültig auf den Pop – Olymp. Gleich vier Singles aus dem Album – „Every Breath You Take“, Wrapped Around Your Fingers“, „King Of Pain“ und Synchronicity II“ – kommen in die internationalen Charts. Das von Hugh Padgham srringent produzierte synch ron icity, ein Album mit erstaunlich wenig Konzessionen an den Massengeschmack, bleibt über Monate im Gespräch. „Walking In Your Footsteps“ liebäugelt mit polyrhythmischer World Music und „Tea In The Sahara“ mit Off-Beat-Dub. Absatzzahlen in Millionenhöhe bestärken den von nun an regelmäßig an Psychoanalyse-Sitzungen teilnehmenden Sting darin, es fortan auf eigene Rechnung zu versuchen. Für die kommenden 21 Jahre liegt das Kapitel The Police auf Eis.
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