Tom Waits :: Alice / Blood Money
Alice in Wonderland und Woyzeck inspirieren Waits zu zwei großartigen neuen CDs.
Auch wenn FRANKS WILD YEARS bereits 1986 als Musical durch die USA tourte so richtig leckte Waits erst Theaterblut, als 1990 in Hamburg mit großem Erfolg die Umarbeitung von Webers Freischütz als „Black Rider“
(Waits, Burroughs, Wilson) Premiere feierte. Zwei Jahre später schon startete wieder in Hamburg, wieder unter Regisseur Robert Wilson – „Alice“, eine avantgardistische Oper, die inhaltlich mit dem Alice-Charakter aus dem Wunderland arbeitete. Waits zeichnete für die Musik verantwortlich, wartete aber fast zehn Jahre, bis er die Songs nun endlich mit seiner Frau zu einem eigenständigen Meisterwerk ALICE (6) umarrangierte. Das Album präsentiert den Künstler in Höchstform – vom ersten bis zum 15ten Song verliert er nicht einmal die erzählerische Intensität, die nötig ist, um einen Zuhörer über knapp 50 Minuten zu fesseln. Er predigt lallend wie ein verwirrter Drehorgelprophet, klagt schnaufend wie ein Seemann, der sich trunken von Parkuhr zu Parkuhr hangelt, um plötzlich hysterisch in gebrochenem Deutsch „Sei punktlich! Sei punktlich! Komme nich zu spät!“ zu kreischen, während diverse Utensilien einen morbiden BONE MACHINE-Marsch klappern. Unverzichtbar ist dieses Album aber vor allem, da es zu aller kompositorischen und performerischen Brillanz dem wahnwitzig vielfältigen Waits-Gesamtwerk noch etwas Neues hinzuzufügen hat: Die Instrumentierung mit einem gespenstischen Kammerorchester mit gezupften und gestrichenen Cellos und antiken Stroh-Geigen ist bisher einmalig.
I BLOOD MONEY (4,5) versammelt die Songs, die Waits und Ehefrau für die Neuauflage von Büchners Woyzeck komponierten, die 2000 in Kopenhagen uraufgeführt wurde. Statt mit Streichern hat der raue Poet die Songs über Schizophrenie, Mord und Psycho-Experimente zumeist mit Bläsern und diversen Schlaginstrumenten umgesetzt. Die LP hat mehrere hervorragende Momente, kann sich aber nicht vollständig von ihrer Musical-Vergangenheit emanzipieren, so dass ihr – ähnlich wie dem BLACK RIDER – ein wenig Homogenität fehlt.
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