Tom Waits :: Real Gone

Experimental-Rock: Wails setzt der Human Beatbox einen Hinkelstein, Sohn Cosey hat seine Turntables direkt nebenan geparkt.

Der Herr hat’s ihm ja gegeben. Tom Waits kann aus seiner Kehle Laute raspeln, die andere in komplizierten elektronischen Umwandlungsprozessen kaum je erzielen, er hat das Jahrhundertschnaufen, das grundgute Songs zu gefährlichen Monstern macht. Für real GONE verzog Waits sich ins heimische Badezimmer, um der Expedition in die eigene Soundmaschinerie ein weiteres Kapitel hinzuzufügen: Er spuckt uns seine eigene Percussion aus, willkommen im Human-Beat-Box- Verein! Eine geniale Idee ist das im Zusammenhang mit den Turntable-Spastereien von Sohn Casey, nachzuhören in „Top Of The Hill“ und „Metropolitan Glide“. Es ging diesmal ja auch fix für Tom-Waits-Verhältnisse. Gut zwei Jahre nach den beiden Alben ALICE und BLOOO MONEY. die auf Waits’Ader als Atmosphäriker verwiesen, nun ein „Neunplundhammer“ des Künstlers eigene Worte]. Waits hat – in Tateinheit mit Frau Kathleen Brennan – eine Platte ganz ohne Piano gemacht. Marc Ribot steuert die in den Seilen hängende, erzählende Gitarre bei, die aus dem Gestrüpp der Geräusche todsicher zum Sentiment führt und den Künstler anstandslos im Feuilleton verankert. Wir befinden uns im Vintage Wonderland des guten Amerika, und wer geneigt ist. dem Sängerund Songwriter die Koketterie mit dem Gewesenen zu attestieren, der soll sich schadlos halten, bitte. REAL GONE ist ein Hinkelstein von Waits-Platte, enthält zwei seiner dunkelsten wiewohl wehmütigsten Beiträge, das zehnminütige „Sins Of My Father“, auf Augenhöhe mit „Highlands“ von Bob Dylans TIME OUT of MIND und „How It’s Gonna End“. den minimatistischen Trauermarsch. Auf der anderen Seite des Spektrums „Shake It“ – Partymusik aus einem defekten Röhrengerät in zwei Paar Rhythmusschuhen. Oder „Metropolitan Glide“- James Brown mit der Kreissäge zertrennt und fachmännisch wieder zusammengesetzt. Man wird das alles lieben lernen in den nächsten Wochen und Jahren bis zum kommenden Waits-Album, den Obskur-Rock mit Lowlife-Soundgarantie. Tarantella und Afro-kubanischer-Blues, Musik von Männern, die über die Käffer ziehen und von der Welt nichts als das Grummeln im eigenen Bauch kennen. Waits folgt dem großen Alchemisten Captain Beefheart im Versuch einer Verwandlung, die eines Tages in Gestalt einer Kröte enden wird. Und bleibt trotzdem Waits, wie er singt und lacht, dergroße Makabarettist und Weismacher, als akustische Dreingabe Nachbars Hund, der gerade unter den Rasenmäher gekommen ist, während draußen in den sauberen amerikanischen Vorgärten unserer Fantasie nachlässig Rock’n’Roll gegeben wird. Es gibt keine direkte Sprache bei Waits, auch nicht in der Politsinfonie „Day After Tomorrow“. Der Herzensbrecher aller Halbwelten hat nur die Geräusche der Saison gesammelt und über ein paar Uralt-Verstärker weitergegeben.