Tuxedomoon

Halt-Mute

Die dunklen Wege unseres Daseins begehen: mit klarem Kopf. Die hellen Seiten der Sonne berühren: und sich gleichzeitig durch den Menschen-Dschungel bewegen.

Die Elektronik einsetzen für eigene Bedürfnisse/Vorstellungen/Visionen. Mit Hilfe der Elektronik Komplikationen vereinfachen! Empfindungen/Gedanken, die Tuxedomoon mit ihrer Debut-LP HALF-MUTE an die Oberfläche spülen. Mit Synthesizer, Violine, Gitarre, Baß und elektronischer Percussion erzeugen Steve Brown, Blaine Reininger und Peter Principle (aus San Francisco) eine reale und surreale Soundlandschaft + Hoffnung, Einsamkeit/Langeweile + Liebe/Zuversicht; Textideen, die abstrakt und direkt zugleich sind. Töne, die durch den Hinterkopf Bilder einstrahlen. Einfache Rhythmusschleifen (Baß/Percussion) überlagert mit tragenden/freischwebenden Stimmungsebenen (Synthesizer/Violine/Saxophon). Alles so menschlich, warm – und doch unzufrieden. Würde Viscontis „Tod in Venedig“ in San Francisco spielen – dies wäre der entsprechende Soundtrack. „What Use“ (auch auf Single mit der B-Seite „Crash“) zeigt die T.Moon-Fähigkeit, interessante und tanzbare Töne zu setzen, die mit nachdenklichen Texten verbunden sind. Unbefriedigtsein montiert mit lustvollen (nicht dumm-machenden) Rhythmen. ,1 want new toys/1 want new dimensions“ singen sie höflich + liebevoll.

Und das Album endet mit den Stotter-Geräuschen der Hubschrauber-Flügel, die das „Apocalypse Now“-Film-Werk eröffnen. Get the picture?

Kann man die ESKIMO-Landschaft der Residents zu einem Disco-Stück mutieren? Ja! Die Residents können das. DISKOMO ist eine 8-minütige Disco-Version der Residents-Winterreise ESKIMO. Eine dumpfe/synthetische Monoton-Rhythmus-Schleife. Überlegt mit Schnellaufklängen, die mehr nach japanischer Volksmusik klingen. Seite 2 dieser 12 inch EP ist angefüllt mit „Goosebump“, das aus vier Teilen besteht. Die Residents + Snakefinger haben Spielzeuginstrurnente eingekauft und spielen den kleinen/fetten Glatzkopf im Laufstall. Kinderreime (»Hiija Hiija Hooo“) und alle möglichen Volksliedermelodien (zwischendurch hört man auch mal Schafe blöken) werfen uns zurück in die Baby-Welt. Der Gesang besteht aus Lauten, die ihre eigene, durch Sprache und Verstand nicht zu erfassende Ebene füllen.

Der Eskimo wurde von den Residents aus seinen .armseligen‘ Lebensbedingungen errettet und verbringt nun die meiste Zeit in der Disco, wo er sich die Disco-Versionen seiner Stammesklänge anhört. War Giorgio Moroder ein Polar-Eskimo?

Mit DISKOMO halten sich die Residents nicht mehr aus dem Phänomen Pop-Musik heraus – sie sind eingedrungen in die extremste Erscheinung der Heute-Musik-Industrie-Ideoiogie: in die Disco.

MX-80 Sound schließlich, jetzt ohne den zweiten Drummer als Vier-Mann-Gruppe, spielt harten, gitarren-/drumbetronten Attackensound. Manchmal taucht ein jazziges Saxophon dazwischen auf. Dann kommen wieder diese (gewohnten) Gitarrenzwischenspiele. Die Texte werden meistens als Sprech-Gesang vorgetragen, für mich bedeutet dieses zweite Album (’77 erschien ihr erstes auf Island: HARD ATTACK) der Band konvetionelle Ermüdung. Das experimentellste MX-80 Sound-Werk bleibt die auf Gulcher Records erschienene ,Big Hits‘ EP (77) aus der Zeit, als sie noch in Bloomington/Indiana lebten.

4 (Tuxedo Moon, Resident)

1 (MX-80 Sound)