Rock am Ring / Rock im Park: Kaum Frauen auf den Bühnen?
Musikjournalistin Rike van Kleef zeigt, wie Frauen und queere Acts bei Festivals kaum sichtbar sind.

Die Journalistin und Autorin Rike van Kleef übt scharfe Kritik an der einseitigen Geschlechterverteilung auf den Festivalbühnen von Rock am Ring und Rock im Park. Vom 6. bis 8. Juni treten dort rund 100 Bands auf – ein Großteil davon besteht ausschließlich aus Männern. Laut Van Kleef sind beim Rock am Ring 92 Prozent aller Acts rein männlich, bei den Headlinern liegt der Anteil sogar bei 100 Prozent. Ihre Analyse zur Geschlechterrepräsentation auf deutschen Musikfestivals zeige: 72 Prozent der untersuchten Programmslots wurden rein männlich besetzt.
Zu den Hauptacts in diesem Jahr gehören unter anderem Falling in Reverse, Bring Me the Horizon, Slipknot und Korn – allesamt rein männlich besetzte Bands. Van Kleef bemängelte im Gespräch mit dem SWR, dass bei einem so großen Genre wie Rock eine größere Vielfalt durchaus möglich sei. Es gebe viele hervorragende Künstlerinnen oder nicht-binäre Acts, die bei der Programmgestaltung stärker berücksichtigt werden könnten.
Fünf Frauenbands – 84 rein männliche Formationen
Dabei gehe es jedoch nicht nur um die Künstler:innen auf der Bühne, so van Kleef. Ebenso entscheidend sei, wer hinter den Kulissen arbeite: Wer trifft die Entscheidungen, wer bucht die Bands, wer gestaltet das Programm? Wenn diese Strukturen vor allem von Männern geprägt seien, spiegle sich das zwangsläufig auch in der Programmauswahl wider.
Nach Recherchen des SWR umfasst das Line-up bei Rock am Ring in diesem Jahr lediglich fünf rein weiblich besetzte Bands. In elf weiteren Formationen wirken Frauen mit – dem gegenüber stehen 84 rein männliche Acts. Beide Festivals sind ausverkauft, laut Veranstalter werden rund 170.000 Besucher:innen erwartet. Rock am Ring findet wie gewohnt am Nürburgring in der Eifel statt, Rock im Park auf dem Nürnberger Zeppelinfeld.
Kritik an Einladung von Ronnie Radke und Falling in Reverse
Zusätzliche Kritik entzündet sich auf Sozialen Medien an dem Hauptact Falling in Reverse. Frontmann Ronnie Radke war 2015 mit Vorwürfen von Missbrauch und sexueller Gewalt konfrontiert. In jüngerer Zeit fiel er zudem durch Aussagen auf, die als homophob, transfeindlich und rassismusverharmlosend kritisiert wurden. In sozialen Netzwerken stieß die Einladung der Band deshalb auf scharfen Widerspruch.
Rock am Ring wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. 1985 gestartet, folgte 1995 das Schwesterevent Rock im Park. Seit 1997 findet es in Nürnberg statt. Beide Festivals zählen heute zu den größten in Europa.
„Männerüberschuss“ nicht nur beim Rock
Die Geschlechterungleichheit sei kein exklusives Problem der Rockszene, so betont Van Kleef. Auch andere Musikrichtungen wie Jazz oder Klassik seien männlich dominiert. Zwar habe sich in den letzten Jahren einiges bewegt, was Sichtbarkeit und Repräsentation angehe – dennoch beobachtet sie derzeit einen Rückschritt: Gleichstellung werde wieder weniger ernst genommen, so ihre Einschätzung.
In ihrem neuen Buch „Billige Plätze – Gender, Macht und Diskriminierung in der Musikbranche“ (2025) geht van Kleef der Frage nach, warum Frauen und queere Künstler:innen im Festivalbetrieb trotz vieler erfolgreicher Acts oft übersehen werden. Dabei beleuchtet sie Herausforderungen wie ungleiche Bezahlung und mangelnde Sicherheit. Gleichzeitig zeigt sie Wege auf, wie Festivals diverser, gerechter und sicherer für FLINTA-Personen – also Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Menschen – gestaltet werden könnten.