Simply Red – A New Flame


Als 1985 die Debut-LP picture BOOK erschien, ging sein Stern leuchtend auf: Mick Hucknall galt als die neue Inkarnation des weinen Soulsängers. Nach einem schwächeren Album und einer anschließenden Kunstpause meldet er sich nun zurück.

Das Markenzeichen von Simply Red bleibt, trotz spürbarer Stilmodifikation, ihr exorbitanter Sänger und Blickfang Mick Hucknall: Hinter seiner dominierenden Stimme und Persönlichkeit muß das musikalische Können der übrigen Red-Leute fast zwangsläufig die zweite Geige spielen. Allerdings eine von Paganini-Format. Wie gut allesamt als Einheit sind, haben sie auch auf deutschen Bühnen schon vehement bewiesen und die leidigen Coolness-Vorwürfe in Sachen „blue-eyed-Soul“ mit exzellenten Konzerten hinweggefegt. Mick „Red“ Hucknall ist schlicht einer der beeindruckendsten Vokalisten, die in den letzten Jahren die Szene betreten haben. A NEW FLAME, der dritte Streich der Soulbrothers ous Manchester, ist Hucknall pur: So schwarz wie ein Weißer nur singen kann. Und keine Kompromisse an die Charts, nachdem MENANDWOMEN den Erfolg des Debüts P1CTURE BOOK nicht ganz erreichen konnte. Kontrolle, souveränes Understatement und kultivierte, brillante Gesangsparts kennzeichnen A NEW FLAME von der ersten bis zur letzten Note. Simply Red verließen sich wieder auf die Produktionskünste von Soul-Meister Stewart Levine, der zwischen funky Gitarren und flauschigen Keyboard-Teppichen die Bläserakzente ökonomisch verteilte und Hucknalls Stimme wie die Sahnehaube des heißen Irish Coffee behutsam obendrauf goß. Chris Joyce (dr) und Tony Bowers (b) lassen die Grooves hypnotisch pulsieren, und in „More“ hätten wohl auch Jamaikas Rhythmus-Könige Sly & Robbie den dezenten Reggae-Beat nicht zwingender hinlegen können. Auf A NEW FLAME zeigen sich Simply Red deutlich offener, flexibler und selbstbewußter als bei den beiden Vorgängern, die leicht mit dem Label „White Soul“ zu bestickern waren. A NEW FLAME ist der große Schritt zum Individualstil für Simply Red, der das Charisma von Hucknall trotz aller Dominanz paßgenauer in den Gruppen-Kontext einbettet. Die diesmal eher verhalten eingestreuten „Amerikanismen“ finden ihren Ausdruck auf dem Album zum Beispiel in den angegospelten Chören, die Mick Hucknalls Vocals hier und da (noch) ekstatischer wirken lassen.

Ein Klassiker wie Harold Melvin & The Blue Notes‘ „If You Don’t Know Me By Now“ ist bei Simply Red natürlich in den besten Händen: Hucknalls herrisches Soul-Organ trifft millimetergenau den Ton von Bluesim-Scheinwerferlicht, der die Brücke zwischen Tradition und Moderne schlägt. „It’s Only Love“ (das auch Barry White mal aufnahm) kommt fast Phillysoundmäßig daher, wie auch ein paar der neuen Kompositionen von Simply Red dem schmachtend/flächigen Klang der Soft-Soul-Metropole Philadelphia huldigen: Respektvolle Verbeugungen vor großen Kollegen aus den 70er Jahren, gleichzeitig aber durchsetzt mit eigenständigen Kommentoren („New Flame“ oder „To Be With You“). Simply Reds „Neue Flamme“ brennt mit bengalischem Feuer und dürfte auch ’89 weithin „hörbar“ leuchten… (wtj

Mick Hucknall über die Zukunft von Simply Red

„Unser neues Album ist nicht so ungeschliffen und spontan, wie wir einmal waren. Aber das ist wohl eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Erwachsenwerdens. Ich hoffe, daß wir die Spontaneität durch Tiefe oder durch Reife ersetzt haben. Stewart (Levine, der Produzent) meint, jede Platte sei ohnehin nur Ausdruck des einen Moments, in dem sie entstanden sei, womit er wohl recht hat. Für die Zukunft könnte ich mir vorstellen, daß unsere Musik noch komplexer und dann vielleicht, Jahre später, als Gegenbewegung radikal einfach wird. Musikalisches Wachstum ist ein unendlicher Kreislauf. Ich kann Rock nicht mehr ernst nehmen. Seit Punk kannst du Rock in der Pfeife rauchen. Alle die Punks, die damals mit großen Sprüchen den Rock’n’Roll auseinandernehmen wollten, haben sich in dieselben aufgeblasenen Rockstars verwandelt, die sie mal verachtet haben. Was passiert schon noch Großartiges in der Pop-Welt? Es gibt nur Prince! Und die eine Hälfte seiner Sachen ist ganz einfach genial, der Rest totaler Mist. Unsere Fans sind doch ein recht anspruchsvolles Häufchen. Die meisten Bands heutzutage verdienen ihr Geld mit T-Shirts, Schals und so. Haben wir auch mal probiert, und es hat unsere Fans nicht interessiert. Sie kommen nur wegen der Musik.“

MICK HUCKNALL- VOM PUNK ZUM SOUL

Simply Red ist Mick Hucknall. Der Sänger, Songschreiber und Sprecher der Manchester-

Soul-Gang und heute schärfster Kritiker der Punks, war früher selber einer. Bevor er 1984 Simply Red gründete, gab’s die Frantic Elevators, die in bester New Wave-Manier den „verdammten, 15minütigen Gitarren-Soli“ den Kampf angesagt hatten. Konzerte mit den Frantic Elevators waren Ende der 70er Jahre prächtige Alkoholgelage, wobei Hucknoll seine Professionalität durch enorme Trinkfestigkeit bewies. Musikalisch war Hucknall bald auf einem anderen Dampfer: Seine neuen Rhythm & Blues-Songs paßten nicht mehr zu den Elevators, und so „suchte ich mir Leute, die dieselbe Musik liebten, die ich liebte.“ Zwei Jahre dauerte diese Suche, während der Hucknall viel Zeit zum Songschreiben hatten. „Money’s Too Tight To Mention“, der erste Simply Red-Hit, war zwar eine Cover-Version, aber eine programmatische. Eine weiße Band mit schwarzem Sound,“blue-eyed-Soul“ — Hucknall kann’s nicht mehr hören. „Ich habe die meisten verdammten Songs geschrieben, keine schwanen Musiker! Ich komme aus dem gleichen sozialen Background wie viele von ihnen. Unser Publikum und wir haben keine Probleme mit unserem Stil, das haben nur unsere Kritiker.“