Tindersticks und dEUS: Köln, E-Werk


KRISE IN DER TONTRACERINDUSTRIE? HAH! DREI Appetithäppchen vom neuen Tindersticks-Album „Simple Pleasure“ im 15-Sekunden(!)-Format auf CD gepreßt, diese generös im Auditorium verteilt, und die Sache mit dem Plattenverkauf ist geritzt, dachten sich wohl die Marketing-Strategen von der Plattenfirma der Londoner. Ein Schabernack, ein frecher! Doch mehr zu den Tindersticks später, erst zu drei sportiven jungen Münchnern: Die Sportfreunde Stiller eröffneten den Popkomm-Auftaktabend denkbar beschwingt mit drei-vier-und-los-Schrammelpop und huldigten Hänschen Rosenthal: Wir sind der Meinung, das war „Spitze“. Was man von den Beangrowers und ihrer klingenden Schnittmenge aus Sugarcubes, Belly und Garbage nicht unbedingt behaupten kann. Tut nicht weiter weh, braucht aber auch kein Mensch. Da half auch der Exotenbonus nichts. Mein Gott! Die kommen ja aus Malta! Na und? Die Stereophonics kommen aus Wales, Sänger Kelly Jones hat buschige Waigel-Augen brauen und sie spielen Popmusik, geradeaus gerockte. Das taten sie auch hier schön und gut und echt… aber dann: dEUS. Songschreiber Tom Barman trägt neuerdings einen verwegenen „Der Mann aus den Bergen“-Bart und macht mit den Seinen im wesentlichen Rockmusik. Aber eben andere. Mit einem beachtlichen Instrumentarium – drei Gitarren, Bass, diverse Keyboards, elektrische Geige, reichlich Percussionsgerät – pendelten die sechs Belgier kongenial zwischen Dekonstruktion und Wiederzusammenbastelnwollen. Da wurden Strukturen gedehnt, zerfasert, zerpflückt, zerrissen – mit dem unbedingten Willen, jeweils wieder gemeinsam in ein und demselben Song zu enden. Ein kakophonisches Spektakel, bei dem mitunter bis zu vier Musiker zugleich ins Mikro singen, gurgeln, sprechen, fauchen durften. Aufs hübscheste abgerundet mit melodischen Popsongs wie „Little Arithmetics“ vom letzten oder „Instant Karma“ vom aktuellen Album „The Ideal Crash“. Da hatten es die Tindersticks als Headliner in der Folge richtig schwer. Ungewohnt lässig gewandet nix Anzüge, legere Freizeitkleidung war angesagt – machten sie das Beste aus der gestohlenen Schau und gaben konsequent den Part, den sie aus dem Eff-Eff beherrschen: den der notorischen Melancholiker. Aus dem Rahmen fiel da lediglich die neue Single, das poppige „Can We Start Again“; ansonsten nuschelte sich Stuart Staples, der Welt völlig entrückt, mit geschlossenen Augen durch den Set. sah sein Publikum so wohl den ganzen Abend nicht. Die Zuhörer zeigten sich besonders euphorisiert bei „Jism“ und „Blood“, zwei wunderschönen Juwelen vom Tindersticks-Debüt. Aber auch die neuen Songs wurden wärmstens empfangen. Spät war’s geworden und die Erkenntnis gereift: „Simple Pleasure“ muß man ganz hören.