Voodoo im Ruhrpott


Frantic, excessive germans . „An absolute classic cut… „, urteilt die englische „Sounds“ über Philip Boas Single „Ostrich“, eine Auskoppelung aus Philister, der aktuellen LP von Philip Boa & The Voodoo Club. Man mag Augen und Ohren nicht trauen, aber 1985 tut sich einiges an musikalischer Aktivität in Deutschlands totgeglaubtem Underground: Lokale Helden wie The Beauty Contest, Multicolored Shades, Pseiko Lüde oder eben Philip Boa drängen konstant durch die Medienlücken und setzen sich langsam in den Ohren der hiesigen Plattenkäufer fest.

Philister ist die zweite LP des Quartetts aus Dortmund/Hagen. Vergessen ist die chaotisch-dumpfe Kellerproduktion des Erstlings Most Boring World (1984), die technischen Mängel der Anfangstage scheinen Phil Boa & Co. nur angespornt zu haben, nun mit größter Konzentration den größtmöglichen Wurf zu landen. Ein besseres Studio wurde angemietet, Gastmusiker engagiert und jede falsche Hast vermieden: Glücklicherweise war die entstandene Musik von so hoher Qualität, daß die Band genügend Aufmerksamkeit erregen konnte, um die durch Eigenproduktion und Eigenlabel aufgetürmten Schulden überschaubar zu halten.

Philip Boa, 23, singt, spielt Gitarre und klassische Instrumente und kennt die BRD-Musikszene aus dem ff. Pia Lund, 20, spielt Baß, Piano, singt göttlich und sieht aus wie eine intergalaktische Barbarella. The Voodoo, 25, trommelt und heißt so, weil er zwei Jahre auf Haiti den Voodoo getrommelt hat. Neu in der Band ist Schlagzeuger Guido „Rabe“ Eikelmann, der Voodoos Dauerattacken mit durchgehendem Snare- und Hi-Hat-Rückgrat versorgt.

Philister vereinigt so ungleiche Einflüsse wie exzessive Buschtrommeln mit klassischen Geigen, Marc Almond-Schnulzen mit rumpelnden Velvet Underground-Rythmen, Punk-Gitarren mit melodisch ausgefallenen Ohrwürmern, Pathos mit Sinn fürs Absurde. Typische Pop-Ansätze werden angespielt, doch sobald ein Klischee sich abzuzeichnen droht, wechseln Boa und der Voodoo-Club die Richtung, verblüffen mit originellen Einfällen und lassen damit die überkorrekten Stilanleihen der heutigen Pop-Welt geschlagen hinter sich. Bei einer solchen Mixtur ist klar, daß die Band sich dem Esperanto der Pop-Musik, der englischen Sprache bedient.

Boa: “ Unsere Musik soll vielseitig sein. Wir verbinden harte Gitarrenmusik mit eigenen Melodien und Ideen, nur dreckig muß es sein. Gerne möchte ich mit einem geilen Jazz-Bassisten arbeiten, wie Sting jetzt. Aber der Dreck muß bleiben.“

Eine Philosophie, die den Weg zum Popstar erschwert, doch der Erfolg von Philister hat Philip Boa & The Voodoo Club zu einer selbstsicheren Einheit zusammengeschweißt, in der kein Zweifel über die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges aufkommt.

Auch Live soll der Voodoo-Club demnächst zu bewundern sein bislang scheiterte dies an den hohen Ansprüchen und Ambitionen der Musiker selbst, deren Träume eher in Studio-Kellern denn in schwitzigen Clubs zu Hause sind. Boa: „Mein Traum wäre es, vier Wochen Tag und Nacht in einem Super-Studio incl. Super-Mixer ohne Zeitdruck an einer LP zu arbeiten – mit ein paar Super-Gastmusikern und einem Produzenten, der hilft. Ich bin überzeugt, es würde eine phantastische Platte werden. „