Wie die wilde Sau laufen lernte


Studiobesuche, Journalisten lieben sie wegen des Exklusivcharakters – ja! – und natürlich der, nun ja: Dokumentationspflicht. Musiker eher nicht so. Weil einen Haufen Fremde im Allerheiligsten zu empfangen ja immer auch heißt: sich stören zu lassen, etwas preiszugeben. Um beiden Seiten wohl zu tun, ließen die Beatsteaks sich einen kleinen Kunstgriff einfallen. Wir sitzen in den Berliner Tritonus-Studios. Hier sollen, im Rahmen einer Pressekonferenz mit Hörbeispielen, Einblicke in die bei Redaktionsschluss fortdauernden Arbeiten am fünften, noch unbetitelten Album der zuletzt nach jahrelanger Tingelei in die Topliga bundesrepublikanischen Rockschaffens aufgestiegenen Rock’n’Roll-Kapelle gewährt werden. So weit, so gut. Allerdings wurde im Tritonus kein einziger Ton von dieser Platte eingespielt. Das haben die Beatsteaks größtenteils im Hamburger Gaga-Studio erledigt. Aber immerhin steht ein Mischpult rum und in der Ecke lehnt eine Gitarre. Und es gibt Musik zu hören.

Zunächst entwickelt Sich die Konferenz zum veritablen Affentheater – nicht ohne einen gewissen Unterhaltungswert. Am besten sind die Jungs vom Radio: Sofort haben sie Arnim Teutoburg-Weiß eingekreist, halten ihm jetzt ihre Mikrofone ins Gesicht wie erhobene Lanzen. Sieht man sonst nur morgens um sechs nach kräftezehrenden Verhandlungsrunden vorm Plenarsaal. Bei einer Rockband wirkt das ein bisschen irritierend. Es wird gefragt, was man eine Band nach dem Durchbruch eben so fragt: „Wie seid ihrmit dem Druck umgegangen?““War es leicht, nach dem Erfolg von smacksmash wieder ins Studio zu gehen?“

Da er irgendwas antworten muss, sagt Teutoburg-Weiß, der flankiert von Schlagzeuger Thomas Götz mit seiner einnehmend-lockeren Art klar die Runde beherrscht, Folgendes: „Wenn smack smash unser .Good Feilas’war, dann ist das neue Album unser Taxi Driver „. Soll natürlich ein Witz sein, hat aber durchaus seinen Reiz. Allerdings, wenn wir schon bei Scorsese sind, drängt sich doch vielmehr dessen neuer Film „The Departed“ auf. Weil es bei den Beatsteaks genauso direkt und kompromisslos auf die Fresse gibt.

Los geht’s mit „Demons Galore“, einem euphorischen Kraftpaket mit furios-wuchtigem Drumming, studiobesuch

und dem garstigen Punkrock-Stampfer „Bad Brain“. Dessen Gitarrenarbeit – nomen est omen – ist deutlich von den Hardcore-Rastas Bad Brains inspiriert, während Teutoburg-Weiß kräftig Boden auf Mike Patton gutmacht. „Meantime“ bietet Zeit zum Luftholen: Zwar abermals mit wütend stichelnden Gitarren unterlegt, gibt es hier einen sehr gelungenen Moll-Mittelteil und eine schöne Melodie. Anschließend wird’s gar ein wenig schwülstig: In „She Was Great“ becirct Arnim die solchermaßen gepriesene Dame mit Lionel-Richie-mäßiger Fistelstimme. Könnte das werden, was „I Don’t Care As Long As You Sing“ für den Vorgänger war: der eine Song, der klar herausragt. Mit angejazzten Akkorden und einem-ja: Gesang! -, den man so soulful und akzentuiert von dieser Band noch nicht gehört hat.

„As I Please“ – der Track wird das Album eröffnen liefert Beatsteaks at their best. Hymnenhaft. Gewaltig. Bleiben „Soljanka“, das so klingt wie es heißt: nach Polka. Allerdings von düsterer Grundstimmung man ahnt eine Art Umbruchsdrama, kann aber den Text nicht richtig verstehen. Und schließlich das trefflich mit „Sharp Cool And Collected“ betitelte, sturmgleiche Abschlussstück dieses Nachmittags.

Wir konstatieren: sieben Songs, mindestens fünf Überraschungen. Wenn das repräsentativ ist, lässt sich sagen: Die Beatsteaks sind den kompromisslosen, den mutigen und vor allem lauten Weg gegangen. Dieser Eindruck bleibt auch eine Stunde später und eine Etage tiefer. Der ME-Reporter ist eingeladen, im kleinen Kreis mit Band und Produzent Moses Schneider das eben Gehörte einer zweiten Bewertung zu unterziehen. „Es ist schon auch schwierig nach so einem Erfolgsalbum“, sagt Arnim und greift also von selbst die Frage der Radiokollegen wieder auf: „Und natürlich ist das, was wir hier machen, riskant. Wir haben uns immer ermahnt: Lasst uns frech bleiben und auf keinen Fall Erwartungshaltungen bedienen. Da wollten wir konsequent sein, damit die Platte eine klare Linie kriegt. Also nicht nach neun Songs noch schnell zwei Singles schreiben, sondern knallhart die wilde Sau bis zum Ende durchziehen.“

Die „wilde Sau wollten unbedingt alle fünf Beatsteaks reiten. Streitet der Berliner Debattierklub doch stets so lange, bis ausnahmslos jeder in der Band zufrieden ist. „Dieses ständige Hinterfragen, die Selbstkritik sind unverzichtbare Bausteine für uns“, versichert Arnim. Spricht’s und geht noch was singen – die Sau fertig durchziehen. >» www.beatsteaks.org —