Interview

Wie ein Musiker aus Soest mit Kodak Black in den Billboard-Charts landete


Wir haben mit Maik Timmermann von How To Loot Brazil gesprochen. Der Berufsmusiker hat die Band als Hobby gegründet und es damit geschafft eine Platin-Schallplatte zu verdienen.

Für die eigene Musik eine Platin-Platte zu bekommen, ist ein großer Erfolg, auf den viele Musiker*innen oftmals lange hinarbeiten. Doch wie ist es, wenn man durch Zufall eine Nachricht aus Amerika bekommt, weil die eigene Musik gesampelt wird und genau dieser Song dann den Platin-Status erreicht? Das ist Maik Timmermann von How To Loot Brazil, einer 2006 gegründeten Indie-Band aus der Kleinstadt Soest, passiert.

Der heutige Berufsmusiker hat unter den Pseudonymen Maik T. und The Leach aber auch mit seinem bürgerlichen Namen an diversen Projekten gearbeitet. So war er Produzent für zwei Top-Ten-Alben der Mülheimer Ska-Punker Sondaschule und hat dazu für den Leipziger Pop-Poeten Lot, aber auch für DJs wie Chris DiPerri und Kid Vincent unter anderem Stift und Instrumente geschwungen. How To Loot Brazil ist reines Hobby. Nach acht Alben und etlichen Songs, die von Künstlern wie Never Surrender, French Fuse und Mojjo gesampelt wurden, kam jetzt durch Kodak Black der Charterfolg.

Im Oktober 2021 veröffentlichte Kodak Black den Song „Super Gremlin“, der aktuell (November 2022) über 260 Millionen Streams auf Spotify hat, auf Platz 3 der Billboard „Hot 100“-Charts landete und letztendlich den Platin-Status in den USA erreichte. Für How To Loot Brazil ist es die erste Platin- Schallplatte. Wir haben mit dem Gründer Maik Timmermann – Disclaimer: Der Kontakt kam über familiäre Bekanntschaften des Autors zustande – gesprochen.

Musikexpress.de: Wer ist How To Loot Brazil und wie hat alles angefangen?  

Maik Timmermann: Ich hatte 2006 schon ein paar Jahre als Bassist von Phillip Boa auf dem Buckel und wollte einfach mal wieder eigene Songs raus hauen, quasi als Ausgleich. Damals hab ich Die Simpsons geschaut, und dort tauchte das Buch „How To Loot Brazil“ auf. „Super Bandname“, dachte ich, darum hab ich mir direkt die MySpace-Seite gesichert und seitdem in Eigenregie Tracks veröffentlicht. Ich mache die Beats, singe die Demos ein, schreibe die Texte und produziere auch hier. Damals hatten wir auch einen Sänger, der bekam aber irgendwann Lampenfieber. Dann habe ich eine gute Bekannte, die Vic, vor acht Jahren gefragt, ob sie nicht Lust hat, mitzumachen. Seitdem ist die Studiobesetzung im Prinzip: Vic, ich und meine Freundin Katja, die so ein bisschen Background-Shouting macht, aber live nicht mit dabei ist. Da sind wir dann eine richtige Live-Band, da spiele ich Gitarre, Arno am Bass, Vic am Gesang und Hille am Schlagzeug. Die Synthis kommen über Backing-Tracks.

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Euer aktuell bekanntester Song ist „Errror“ – wie ist es dazu gekommen?

Ich habe mich immer mit diesem zackigen New-Wave, Post-Punk identifiziert, hatte aber gleichzeitig immer Bock, mich auch an anderen Genres zu bedienen. Ich bin totaler Fan von Synthie-Pop, dem High-Energy-Sound der 80er und Dance-Musik. Und catchy Refrains. Dann hatte ich auf einmal dieses Riff auf der Gitarre, und dann ist irgendwie „Errror“ entstanden. Wirklich ein klassischer Dance-Song, aber trotzdem mit einem How-To-Loot-Brazil-Trademark. Textlich geht es darum, dass man sich damals, anstatt auf Proben zu konzentrieren und vernünftige Sachen zu machen und Dinge voranzutreiben, lieber im Proberaum abgeschädelt hat und nach draußen gegangen ist, um dumme Dinge zu tun.

Wie ist das Musikvideo entstanden?

How To Loot Brazil ist nach wie vor ein Hobbyprojekt ohne Budget, Plattenfirma, Booker, Manager oder sonst irgendwas. Deswegen drehen wir die Videos selbst, auch mit 0 Euro, und versuchen das Beste im Schnitt rauszuholen. Da wir aber so viel Output haben, kommt man nicht immer damit hinterher, Videos zu drehen, sondern bedient sich an Stock-Footage. Das sind Aufnahmen von „Playmates of the Year“ aus den Jahren 1987/88 und die passten auch zum Song. Heutzutage sind die 80er ja wieder hip und werden nachgestellt, aber das ist ein Original aus der Zeit.

Wie kam der Kontakt zu Kodak Black zustande?

Das war alles Zufall und mit sehr viel Glück verbunden. Unsere ersten Alben haben den Weg in diverse Playlists und Internet-Tauschbörsen wie Soulseek gefunden, zudem gab es viel Airplay in kleinen College-Radios aus aller Welt, und mich schrieben immer mehr Leute, überwiegend Bedroom-Producer an, ob sie unsere Songs remixen dürfen. Irgendwann wurde mir das zu viel, und so habe ich mich entschlossen, einfach nur die Vocals online zu stellen, damit sich jeder daran bedienen kann. Da schreib ich dann immer darunter: „Ihr könnt das gerne für nicht-kommerzielle Zwecke benutzen, aber wenn es kommerziell wird, hier Bescheid sagen.“

Und Kodak Black?

Bei Kodak Black ging das über Atlantic Records. Die haben angefragt und das auch relativ spät, weil die den Song schon veröffentlichen wollten, dann aber eine Mail an mich geschickt haben: „Hast du eigentlich die Rechte daran? Können wir das haben?“ Aber dann kam auch schon mein Verleger Michael Kersting von Click Music, der dann alles Vertragliche geregelt hat, dazu. Ich sag immer so: Für ein Schlafzimmer-Projekt wie unseres, ist das doch schon sehr schmeichelhaft. Ich bin auch immer noch dankbar und demütig, dass das so abgegangen ist.

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Habt ihr seitdem neue Angebote bekommen? Hat sich etwas verändert?

David Guetta hat zum Beispiel einen Remix veröffentlicht, zudem wurde das Instrumental mit unserer Hook zigfach von anderen Rappern verwendet, Dax, Latto oder zuletzt Kevin Gates, dessen Version bei YouTube mittlerweile auch knapp 50 Millionen Aufrufe hat. Außerdem gibt es eine Version von Kid Vincent, zusammen mit Kiddo und Gabry Ponte von Eiffel 65. Man muss einfach weiter machen, weiter Songs produzieren und sich weiter vernetzen. Hier sitzen und warten, dass einer auf einen zukommt, das passiert nicht. Erzwingen kann man das sowieso nicht.

Stehen neue Alben von How To Loot Brazil an?

Ich schreibe und produziere jetzt erst mal wieder, mache auch gern Remixe. Der letzte ist zwar über Audiolith erschienen, aber in der Regel release ich alles selbst über mein kleines Label Look! Mum! No Hit!. Das Schöne ist, dass wir jetzt ein paar mehr Hörer auf Spotify haben, auch überschaubar, aber dass auch die neuen Songs ein paar Tausend Streams kriegen, das ist ja auch schon mal schön. Was willst du mehr?

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Was nimmst aus den Zusammenarbeiten und deiner Zeit in verschiedenen Bands mit?

Insgesamt bin ich dankbar, dass ich etwas mit vielen unterschiedlichen Leuten aus unterschiedlichen Genres machen konnte. Von Punkrock bis House, all diese Eindrücke fließen auch bei uns ein. Das macht es aber auch schwieriger, ein Label zu finden, denn für die einen sind wir zu kommerziell und für den anderen nicht kommerziell genug. Für den einen zu dancy, für den anderen zu hart. Darum suche ich auch gar nicht mehr, sondern mache das selbst. Aber auf jeden Fall ist es immer schön, mit diversen Leuten an diversen Projekten zu tüfteln.

Was wünscht du dir für die Zukunft? 

Ich würde mir wünschen, obwohl es etwas idealistisch ist, dass Leute ihren Fokus mehr auf Musik legen, denn ohne Social Media geht es heute ja nicht und dass Leute, die die Musik interessiert, nicht erst gucken, wie viele Follower jemand hat und dass man den erst aber einer bestimmten Followerzahl ernst nehmen kann oder dadurch eine gewisse Gültigkeit bekommt. Aber ich glaube, da gehöre ich zur alten Schule, es ist halt so, und alles hat Vor- und Nachteile.

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