BLUR


Nach zehn Jahren kehren die Könige des Britpop nach Deutschland zurück und beantworten die Frage, was das alles soll: Dass das alles soll!

Man hatte dem ersten Deutschlandkonzert von Blur seit ihrer Reunion mit Gitarrist Graham Coxon vor vier Jahren mit gemischten Gefühlen entgegengesehen: Was soll das alles? Sommer für Sommer lässt sich die Band nun auf Festivalbühnen für ihre Großtaten von damals feiern. Dass sich ein Hansdampf wie Damon Albarn, der sich ständig neue, scheinbar unerreichbare künstlerische Ziele setzt – und die für gewöhnlich auch noch erreicht -, mit einer Oldierevue zufrieden gibt? Gut, wenn’s ihnen und dem Publikum Spaß macht, soll man eigentlich nichts sagen. Aber genau das ist ja der Punkt: Wird Albarn das Spaß machen? Sich auch nach 18 Jahren noch über das „Country House“ seines Ex-Managers lustig zu machen? Und kann dieses Konzert überhaupt in diesem Umfeld gelingen? Die Vorband auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof, die Pet Shop Boys, hat jedenfalls schon mal mit ziemlichen Soundproblemen zu kämpfen. Immer wieder zersetzen einsekündige Pausen die Synthie-Opulenz. Eine unreparierbar kaputte Box, die auch Blur zum Verhängnis werden wird? Dazu dieses Festival-Publikum, das zu einem unglaublich hohen Anteil aus Extrem-Hipstern besteht. Wirklich, das SXSW ist ein Dreck dagegen. Da wird doch gleich keiner zu „Song 2“ in die Luft springen, da reißen doch die Nähte der superengen Jeans. Dann setzt „Theme From Retro“, das Instrumental auf BLUR von 1997, als Auftrittsmusik ein, und spätestens mit den ersten Tönen vom Opener „Girls & Boys“ wird man eines Besseren belehrt, eines ganz Besseren: Zumindest das vordere Drittel der Menge scheint nicht an die Rechnung des Änderungsschneiders zu denken und goes berzerk. Und zumindest drei Viertel der Band sind mit einer Schönheit gesegnet, die allein schon mitreißt. Damon Albarn, obwohl auch schon in den mittleren Vierzigern, springt wie in den mittleren Neunzigern über die Bühne. Dabei hat er einen Blick drauf, der zu allem entschlossen wirkt. Dieser Mann will was! Nur was? Großes Entertainment? Beherrscht er – wie er sich da zu „Country House“ in die Fans wirft oder zu „Parklife“ den Strophen“sänger“ Phil Daniels aus dem Hut zaubert! Oder geht es ihm um die Qualität der Musik? Auch hier kann er sich entspannen -seine Band ist so gut wie nie zuvor aufeinander eingespielt. Doch Entspannen ist Albarns Sache nicht: Wie ein wildgewordener Maestro peitscht er die Bläser an, übergießt Drummer Dave Rowntree mit Wasser, damit der nicht ausbrennt. In ruhigen Momenten, wie kurz vor „Out Of Time“, ruft er zu ein paar Gedanken für die Bewohner Syriens auf. Und fast kann man den kollektiven Kloß im Hals der 20 000 Besucher spüren. Albarn hat sie alle in der Hand. Genau da gehören wir für diesen Abend hin. Was das jetzt alles soll? Was daraus mal wird? Es ist egal. Was zählt, ist das Be Here Now. Das wusste ja auch schon die stärkste Konkurrenz.

SETLIST

Girls & Boys

There’s No Other Way

Beetlebum

Out Of Time

Trimm Trabb

Caramel

Coffee & TV

Tender

To The End

Country House

Parklife

End Of A Century

This Is A Low

Under The Westway

For Tomorrow

The Universal

Song 2