Simon Spence :: Depeche Mode – Just Can’t Get Enough

Dank einer starken These nicht bloß eine weitere Bandbiografie

Auf den ersten 50 Seiten von Musikerbiografien werden gewöhnlich die Kindheitserlebnisse der späteren Stars ausgebreitet. Schulfreunde erzählen über den schon damals tollen Hecht und gelegentlich wird auf Vorprägungen und Motive für das künftige Werk hingewiesen. Klar, man kann nicht ganz darauf verzichten, doch es liest sich oft allzu zäh. Der britische Journalist Simon Spence wollte sich damit nicht zufriedengeben. Sein komplettes Buch über Depeche Mode sollte sich auf die Jahre vor dem Ruhm beschränken und „mit dem letzten Ton des ersten Albums enden“.

Eine faszinierende Idee. Denn Spence geht tief hinein in die Geschichte von Basildon, der Heimatstadt der Musiker. Sänger Dave Gahan hatte Depeche Mode einmal als „neuartige Band aus einer neuartigen Stadt“ bezeichnet – Basildon war nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Reißbrett entstanden, um den Menschen in den ausgebombten englischen Städten eine neue, komfortable Heimat zu bieten. Ein Bilderbuch-Projekt, dessen Bewohner bald einen eigenen Menschenschlag herausbildeten. Spence hat mit zahlreichen Zeitgenossen gesprochen und beschreibt, wie die spezielle Traditionslosigkeit Basildons Depeche Modes modernistischen Synthie-Pop beförderte. Diese Kulturgeschichte und Mikrosoziologie eines Ortes bringt tatsächlich noch mal Erkenntnisgewinn über eine Band, deren Geschichte schon so oft erzählt wurde.

Doch Spence entschloss sich, auch den weiteren Weg von Basildon nach Berlin nachzuzeichnen – bis zu den in den Hansa-Studios produzierten Alben von 1984 und 1985. Auch wenn der Autor in dieser Phase nicht mehr so viel Neues zutage fördern kann, beschreibt er doch sehr stringent, wie die Band eine Welt außerhalb Basildons entdeckte und auf welche Mitstreiter sie dabei gestoßen sind. Schade nur, dass das uninspirierte, aktuelle Bandfoto auf dem Cover der deutschen Aus­gabe nicht darauf schließen lässt, welche Perle dieses Buch ist!