11 Fakten über Top of the Pops


1 TOTP war und ist die langlebigste Pop-TV-Sendung aller Zeiten. Beim Start an Neujahr 1964 (erste Gäste: die Rolling Stones mit „I Wanna Be Your Man“) waren sechs Folgen geplant – es wurden weit über 2.000. Die Sendung hat fünf ihrer 65 Moderatoren überlebt – und ihren Erfinder: Johnnie Stewart starb am 29. April 2005. Ein gutes Jahr später folgte ihm seine Show, die am 30. Juli 2006 das letzte Mal lief – mal wieder mit einem kleinen Skandal: Alex Kapranos trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Franz Fucking Ferdinand“.

2 Über TOTP wurde nicht nur geredet, sondern auch gesungen. The Kinks veröffentlichten einen Song namens „Top Of The Pops“, ebenso die Indie-Band 28 If. Die schottischen Rezillos durften mit ihrem „Top Of The Pops“ (einer sarkastischen Schmähung) sogar bei TOTP auftreten. Erwähnt wird die Show u. a. in Songs von Art Brut, Boomtown Rats, Generation X, Billy Bragg, Carter USM, Smithereens, Terence Trent D’Arby und Bow Wow Wow.

3 Manche Bands durften nicht bei TOTP auftreten, andere wollten nicht. Für den vielleicht größten Skandal dere wollten nicht. Für den vielleicht größten Skandal sorgten Frankie Goes To Hollywood mit „Relax“: Obwohl zum Schluss der Sendung immer die aktuelle Nummer eins gespielt wurde und „Relax“ wochenlang Nummer eins war, lief das Lied nur einmal. Danach traf Produzent Paul Williams seine beiden kleinen Töchter zu Hause dabei an, wie sie die „schmutzigsten“ Stellen des Videos auf Replay laufen ließen, und untersagte weitere Ausstrahlungen. The Clash weigerten sich strikt, bei TOTP aufzutreten, Primal Scream hatten wegen eines „Vorfalls“ jahrelang Hausverbot. Led Zeppelin verzichteten sogar auf die Veröffentlichung von Singles in Großbritannien, um nicht hinzumüssen. Ausgerechnet ihr „Whole Lotta Love“ lief von 1972 bis 1981 (in der Version von Alexis Korners Band CCS.) und von 1998 bis 2003 (ein Remix) als Titelmelodie.

4 Die Moderatoren waren nicht nur Moderatoren.

Wenn Bands darauf verzichteten, live zu spielen und zu singen, halfen die Ansager gerne mal als „Musiker“ aus. So durfte etwa John Peel 1971 bei Rod Stewarts „Maggie May“ die Mandoline zupfen, während Stewart und Ron Wood im Studio Fußball spielten. Der einzige Moderator, der es als „echter“ Musiker zu TOTP schaffte, war Mike Read, allerdings musste eT beim Auftritt seiner Band Esprit de Corps in der Garderobe bleiben, weil er nicht Mitglied der Musikergewerkschaft war. Jahre später hatte Read erneut Pech:

Da gastierte er als Geiger bei Sham 69, die Sendung wurde jedoch wegen eines Technikerstreiks nicht ausgestrahlt.

5 Die Playback-Situation wirkte oft kreativ anregend.

‚Als Oasis „Whatever“ bei TOTP vorstellten, verstärkte Gitarrist Bonehead als „Cellist“ das Orchester, das er am Ende mit seinem Bogen dirigierte. Für „Roll With It“ tauschten Liam und Noel die Plätze – Noel „sang“ mit Liams Stimme. Schlimmer traf es Paul Weller, der 1984 Bonos Beitrag zu „Do They Know It’s Christmas“ mimen musste, weil man vergessen hatte, den U2-Sänger einzuladen. Bei Nirvanas einzigem TOTP-Auftritt sang Kurt Cobain live zum Playback mit tiefer, jammervoller Stimme. Hinterher behauptete er, er habe versucht, wie Morrissey zu klingen.

6 TOTP hatte Nachwuchs auf der ganzen Welt. Das Original oder Ableger der Show liefen in Frankreich, Italien, den Niederlanden, USA, Neuseeland, Südamerika, Asien und Afrika. In Deutschland übernahm 1998 RTL die Rechte und strahlte bis zum 8.

April 2006 355 Folgen aus.

7 Der Einfluss von TOTP wurde oft überschätzt. Als Pete Wylie (TheMighty Wah!) 1991 „Sinful“bei TOTP vortrug, war Moderator John Peel so begeistert, dass er den Zuschauern einschärfte: „Wenn das keine Nummer eins wird, komme ich vorbei und furze in eure Küche!“ Die Single kam nur auf Platz 28.

8 TOTP hat kirchliche Wurzeln. Bis Mitte 1967 fand die Show in einer umgebauten Kirche in Manchester statt. Dann machten logistische Probleme den Umzug in die BBC-Studios in London nötig.

9 TOTP ist der Beweis dafür, dass früher alles besser war. Die Sendung war ein Musterbeispiel für Konservativismus: Das ursprüngliche Format überlebte Beat-Boom, Hippie-Ära, Punk und Grunge und hatte in der Chartshysterie der Glamrock-Jahre um 1973 bis zu 15 Millionen Zuschauer. Ende der 90ererkannte ein neuer Produzent den Reformstau, in den folgenden Jahren änderte sich immer wieder etwas. Das Resultat war jedesmal dasselbe: sinkende Zuschauerzahlen.

10 TOTP ist schuld an den Spice Girls. Na ja, nicht ganz, aber der gedruckte Ableger der Sendung, das „Top Of The Pops Magazine“, verlieh den Mädels die prägnanten Beinamen Baby, Ginger, Posh, Scary und Sporty, deren massenhafte Verwendung nicht wenig Anteil an der Corporate Identity der britischen Hüpfdohlen hatte.

11 TOTP lebt weiter. Zwar nicht im Fernsehen, aber im Internet: Die Seite www.bbbc.co.uk/ totp kümmert sich auch weiterhin um die aktuellen Charts; interessanter ist jedoch www.bbc.co.uk/t0tp2 mit tonnenweise Interviews mit Musikern und Moderatoren, Informationen, klassischen Videos und historischen Showmitschnitten.