Ol‘ Dirty Bastard – Nigga Please

Legen wir eine Gedenkminute ein. Zu dem Zeitpunkt, da diese Platte das Licht der Läden erblickt, wird der Künstler höchstwahrscheinlich in einem New Yorker Gefängnis sitzen. Was möglicherweise ungerecht, höchstwahrscheinlich aber gut für ihn ist, könnte es doch sein Leben etwas verlängern. Wenn es einen Musiker gibt, der selbst in einer Tradition großer schwarzer Exzentriker von Sun Ra über Lee Perry bis hin zu George Clinton nochmal eine Portion mehr Wahnsinn sein Eigen nennt, dann Russell Jones. In diesem Sinne ist keine Platte von ODB jemals eine auch nur annähernd adäquate Wiedergabe der kreativen Aussage dieser einzartigen Figur. Kam RETURN TO THE 36 CHAMBERS – THE DIRTY VERSION mit seinen vielen röchelnden, spuckenden, gutturalen Momenten der Sache noch relativ nahe, ist Nigga Please weiter entfernt vom eruptiven Irrsinn. Dabei war der Erstellungsprozeß der Musik sicherlich ähnlich: Dirty stolpert irgendwann in irgendein Studio, sofort werden alle Aufnahmegeräte eingeschaltet, um in der Zeit bis zum Delirium möglichst viel auf Band zu kriegen. Dieses Rohmaterial wird dann von versierten Menschen mit Beats und Samples geordnet und zu Songs arrangiert. Wer genau das diesmal tat, bleibt ebenso ungeklärt wie die Frage, wo die berüchtige Single mit Madonna geblieben ist und ob wir ODB jemals auf einer Bühne wiedersehen werden. Von daher kommt diesem gleichzeitig halb- und doch zu garen Produkt jetzt schon sentimentaler Wert zu. Freuen wir uns über kreative Sexismen wie die freundliche Aufforderung an alle Frauen der Welt, ihm die Zunge in den Hintern zu stecken. Er ist der einzige, der es sich leisten kann, bei seinen „Shout Outs“ die Namen der Bands zu vergessen oder einfach gleich die Eskimos zu grüßen. Der einzige, der sich einfach alles leisten kann. Außer konventionelle Stücke zu machen. Daß Nigga Please wie ein leuchtender Fuckfinger aus der HipHop-Faust heraussticht, ist selbstverständlich. Man höre nur „Cold Blooded“, diesen geschickt verzögerten Schunkler mit dem gepreßtesten Gejaule seit Screamin‘ Jay Hawkins oder „Good Morning Heartache“, ODBs Outcoming als Crooner, in dem sein tremulierender Sopran zur vollen Blüte kommt. They don’t make music like this anymore.