David Bowie


"Ich weiss nicht, was ich machen würde, wenn ich nicht Musiker wäre. Vermutlich sässe ich entweder im Gefängnis, oder im Irrenhaus..." Der Mann, der so spricht, heisst DAVID BOWIE. Er ist Englands neuer "Superstar".


ERFAHRUNGEN IN DER JUGEND

David Bowie, sein bürgerlicher Name ist David Jones, wurde 1947 in Brixton. einem Aussenbezirk von London, geboren. Dort verbrachte er einen Teil seiner Kindheit und zog später mit seinen Eltern nach Yorkshire um. Die Slums von Brixton erinnern ein wenig an den New Yorker Harlem: Luft und Strassen sind schmutzig, ein grosser Prozentsatz der Einwohner ist schwarz. Bowies Geburtsstätte war nur 700 Yards vom berühmten Gefängnis Ihrer Majestät entfernt. Yorkshire, die ländliche Provinz im Norden Englands, sehr grün und sehr friedlich, war der krasse Gegensatz zu Brixton und so taten sich David Bowie schon in frühester Jugend zwei völlig verschiedene Welten auf.

Er war zehn, als es in England mit dem Rock & Roll los ging und er war zwölf, als es damit auch schon wieder vorbei war. Zu jung also, um schon damals eine intensive Beziehung zu dieser Musik gehabt haben zu können. Es war der Einfluss seines um einige Jahre älteren Bruders, der Davids Interesse für den Buddhismus weckte. Lange bevor die Beatles vom Maharishi Mahesh Yogi gehört hatten, wandte er sich dem östlichen Glauben zu, doch sagt er heute:

„Ich bin gegen jede Form von organisierter Religion. Deshalb war mein Interesse für diese Lehre nur eine Lebensphase.“

Das Album, es bekam übrigens den Titel „LOVE YOU TILL TUESDAY“, erschien auf dem gerade gegründeten Deram-Label, auf dem gleichzeitig Cat Stevens‘ erste LP veröffentlicht wurde. Stevens verkaufte ein paar Tausend Platten mehr und so wurde auch ihm die meiste Publizität zuteil. Bowies Debüt stand unter einem unglücklichen Stern, und dies mag der Grund für seinen Entschluss gewesen sein, sich wieder einmal aus dem Popbusiness zurückzuziehen.

Er begann, Pantomime zu spielen, eine Ausdrucksform, für die er sich seit Jahren interessierte. So schrieb und produzierte er die Lindsay Demp Pantomime, die in London aufgeführt wurde und in der er selbst als Clown auftrat. Die Erfahrungen aus dieser Zeit beeinflussen noch heute seine Musik und seine Show: „Rock und Pop im allgemeinen sollten nicht so ernst genommen werden, wie es gegenwärtig Mode ist. Die Musik selbst mag ernst sein, doch als Medium sollte man sie nicht analysieren. Man betrachte sie als Parodie ihr er selbst, als Clown, als Pierot-Medium. Musik ist Pierot und ich, der Interpret, bin die Botschaft“.

EIN TYPISCHES NACHKRIEGSZEIT-BABY

’69 veröffentlichte Bowie seine zweite LP „DAVID BOWIE“, von der die Nummer „SPACE ODDITY“ als Single ausgekoppelt wurde. Das Lied vom Astronauten, der einen neuen Planeten besucht und nie zurückkehrt, wurde in England ein grosser Hit. Mit einem Teil der Tantiemen finanzierte Bowie das „ARTS LABORATORY“, ein Künstlerclub in Beckenham, Kent. Nach diesem ersten Erfolg wurde es still um ihn. David Bowie, nur zwei Jahre nach Kriegsende geboren, behauptet, „ein typisches Nachkriegszeit-Baby“ gewesen zu sein und meint: „die merkwürdige Atmosphäre, in der ich aufwuchs, und die gegenseitigen Lebensformen, die ich schon als Kind kennenlernte, führten dazu, dass ich viel zu schnell erwachsen wurde. Ich habe das Gefühl, schon jetzt mehr mitgemacht zu haben, als ich in den nächsten 40 Jahren erleben werde. Dieses zu-schnell-erwachsenwerden kann in einem Chaos von Verwirrungen enden, so wie das z.B. bei meinem Bruder der Fall war. Ihm habe ich auch meinen Song „ALL THE MADMEN“ gewidmet.

Dieser Song war ein Track von Bowies dritter LP „THE MAN WHO SOLD THE WORLD“, die 1971, zwei Jahre nach seinem Space Oddity – Erfolg, veröffentlicht wurde. Mit dem Mann, der die Welt verkauft hat, meint Bowie Jesus, denn „ICH GLAUBE, JESUS WAR AUCH EIN JUNGER MANN“.

Die Platte, wie gesagt 1971 erschienen, war für Bowie nicht nur in musikalischer Hinsicht ein neuer Anfang:

„In den Sechziger Jahren habe ich mich nicht zu hause gefühlt. Ich schrieb über das Weltall, denn das interessierte mich wahnsinnig in einer Zeit, da alle anderen von Liebe und Frieden redeten. Das Ende der Sechziger Jahre war eine Ära voller Depressionen. Sobald sie vorbei waren, fühlte ich mich glücklich.

GRETA GARBO -AUSSENSEITER DER ENGLISCHEN POPSZENERIE

Auf „The Man Who Sold The World“ präsentierte Bowie sich mit viel Synthesizer und musikalisch in ganz neuem Gewand, doch hatte er sich auch persönlich verändert. Er legte sich das Image vom transsexuellen Wesen zu, trug viel Schminke und Frauenkleider und sah sich selbst als „neue Greta Garbo“. Dann heiratete er die Amerikanerin Angela und wurde Vater eines Sohnes, Zowie. Ein Bild, das die Öffentlichkeit verwirrte und das einem Puzzle gleichkam, dessen Teile nicht zueinander passen. Bowie wurde zum Aussenseiter im englischen Popgeschehen – eine Rolle, die er sich selbst ausgesucht hatte. Und er spielte sie ausgezeichnet.

Eine Art bizarrer Surrealismus kristallisierte sich schon auf seiner nächsten LP heraus. Mit „HUNKY DORY“ machte Bowie zum ersten Mal seit Jahren wieder Schlagzeilen in der englischen Presse. Die Platte erschien Anfang 72 und sie wurde in sämtlichen Rezensionen gelobt. Eben noch das schwarze Schaf der britischen Rockfamilie, erkor man Bowie über Nacht zum neuen Bob Dylan, zum „Superstar“, zum besten Songwriter des Jahres. Doch obwohl die Lobeshymnen kein Ende zu nehmen schienen, spiegelte sich die Begeisterung der Kritiker im Verkauf der Platte nicht wider. Noch einmal wurde es still um David Bowie, doch handelte es sich diesmal um die Ruhe vor dem Sturm.

24 JAHRE GEFÄNGNIS

Im Sommer ’72 wurde auf RCA, früher als eigentlich erwartet, der Nachfolger von „Hunky Dory“ veröffentlicht. David Bowie, für den sein vorletztes Album schon wieder der Vergangenheit angehört („ich war ein bisschen schizophren und das kam auf Hunky Dory zum Ausdruck. Die Platte hatte eine betrübte Atmosphäre eine Atmosphäre, zu der ich heute kein Verhältnis mehr habe“) erzählt auf „THE RISE AND FALL OF ZIGGY STARDUST AND THE SPIDERS FROM MARS“ eine Geschichte, in die eigene Erlebnisse verwoben sind: die Geschichte eines Jungens, der von einem entfernten Planeten auf die Erde kommt, ein „Star“ wird und sich schliesslich in unserer kaputten Welt nicht mehr zurechtfindet. Seine Texte sind sarkastisch und richten sich nicht zuletzt gegen das Showgeschäft, so wie er es erlebt hat. Wer ist David Bowie? Ein „Star“, der eigentlich keiner sein will. Ein Mann, der von sich behauptet, homosexuell zu sein und der doch mit Frau und Kind ein scheinbar glückliches Familienleben auf dem Lande führt. Ein Künstler, der das Geschäft mit der Musik verachtet, und der doch mittendrin steckt in diesem Geschäft. Er scheint voller Widersprüche zu sein, dieser David Bowie, doch ist er, wie er selbst sagt, heute zum ersten Mal glücklich: „Ich bin jetzt 24. Diese 24 Jahre waren für mich ein Gefängnis. Jetzt bin ich in Amerika – die erste Tür hat sich geöffnet“.