Ark – Rock


Das Signal steht auf Grün: Whiskeyflaschen, die von der Bühne segeln, werden von den Fans zum Altglascontainer gebracht. Die Zelt Ist reif für ökologisch engagierte Rock'n'Roller und Ihren Einsatz für die Bio-Produkte von ARK. Hanspeter Künxler fand (fast) alles Im Lot auf den Öko-Boot.

In den vergangenen Monaten hat Britannien eine gravierende Veränderung durchlebt: Wo noch vor einem Jahr die Coke-Büchsen mit Schwung ins Unterholz getreten wurden, trägt der verantwortungsbewußte Mitmensch nun selbige säuberlich zum nächsten Abfalleimer (brandneu hingestellt, vom nahen Fish & Chip-Shop gesponsort) oder gar zur Büchsenbank. Wo leere Whiskeyflaschen mit Vorliebe geparkten Porsches unter die Reifen gerollt wurden, werden sie heute für den wöchentlichen Trip zum Glascontainer gesammelt. War früher „die Umwelt“ nur was für vergammelte Hippies und alte Tanten, strahlen heute gar die kommerziellen TV-Stationen Spots aus, die mit grauenerregendem Realismus die Effekte zeigen, die das Wegwerfen einer Hamburgerbox auf unsere Umgebung haben kann. Wo noch vor einem Jahr niemand bleifreies Benzin kannte und mein Nachbar sein Taxi gern bei laufendem Motor per Hand wusch, kommt nun jeder zweite Wagen mit dem Sticker „Ich – grünes Herzchen – bleifrei“ daher.

„Stimmt. Wir waren absolute Schweine“, pflichtet Steven Murray bei. Steven ist ein Pressesprecher von ARK, jener „Firma“, die es fertiggebracht hat, zahllose Popstars der stilbewußten Sorte zum Einnehmen einer Pose zu bewegen, die gewöhnlich nur Heiterkeit auslöst: Wer hat sie nicht schon verlacht, die Stars, die ihre Lieblingsseife vor die Kamera haken und diesem mit belämmerter Miene ewige Treue schwören?

McCartney ist das egal: „Es gibt natürlich Besserwisser, die hochnäsig behaupten, es sei langweilig und lächerlich geworden, wenn Popmusiker sich heute den Zielen von Umweltschutz-Organisationen verschreiben. Nun – wenn ich die Wahl habe zwischen tot und langweilig, dann wähle ich langweilig.“ Auch McCartney hält für den Fotografen sein Abwaschmittel Marke ARK – verpackt in biologisch abbaubares Plastik die Luft. So wieCliff Richard: „ARK-Produkte geben mir ein sauberes Heim UND ein sauberes Gewissen.“

Selbst ein Schmuddelkind wie Bob Geldof vermag an seiner Glaubwürdigkeit festzuhalten, wenn er uns sein ARK vor die Nase hält und sagt: „Selbst jemand wie ich, der nie was in seinem Haus tut, kann ARK-Produkte nur empfehlen. “ Und Linda McCartney taucht gar auf der Waschmittelpackung (aus recyceltem Karton) auf: „ARK wäscht wundervoll sauber – und das mit einem Minimum an Umweltverschmutzung. „

ARK-Fans sind weiterhin David Bowie, Filmregisseur Puttnam, Peter Gabriel, Isaac Tigrett (Gründer des Hard Rock Cafe), Sting und David Gilmour, die allesamt ihre Kräfte aktiv in den Start des Unternehmens gesteckt haben, nicht zuletzt auch Dustin Hoffman, der sich zur Lancierungsparty von ARK Ende Mai im ARK-freundlichen Restaurant „Braganza“ einfand: „Es war wohl das Ereignis des Abends“, erinnert sich Steven: „Dustin hielt unser Produkt in die Höhe und war sehr bescheiden und charmant. Es war das erste Mal überhaupt, daß er es erlaubt hat, ein kommerzielles Produkt mit seinem Namen in Verbindung zu bringen.“

Man wird’s gemerkt haben: ARK sind keine gewöhnlichen Krämersleute. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine weitere Spitze des grünen Eisberges, der plötzlich den Grauschleier des britischen Alltages durchbricht. Bei den kürzlichen Euro-Parlamentwahlen ergatterten die englischen Grünen immerhin 15 Prozent der Stimmen, nachdem sie vor 12 Monaten noch überall als Witzfiguren gehandelt wurden.

Irgendwann kreuzten sich die Pfade von Chrissie Hynde, dem videomachenden Musikanten Kevin Godley sowie von Bryn Jones, einem führenden früheren Greenpeace-Licht. Diesem schwebte eine überparteiliche Organisation vor, die mit weniger brachialen Druck- und Demonstrationsmethoden als Greenpeace „auf unpolitische“ Weise das allgemeine Umweltbewußtsein fördern solle.

In Godley und Chrissie Hynde fand er Gesinnungsgenossinnen. Hynde: „Ich könnte nicht mit mir leben, wenn ich mich nicht mit meiner ganzen Kraft für diese Sache einsetzen würde. Ich weiß, daß ich klinge wie Orson Welles, doch ich bin überzeugt, daß in den nächsten Jahren Menschen mit ihren ganzen Familien aus Angst aus dem Fenster springen werden.“

Freunde wurden angesprochen, die mit Finanzeinsätzen von mindestens 1000 Pfund und tatkräftiger Mithilfe ARK aus den Ruten hoben. In Büroräumen, die Chrissie Hynde zur Verfügung stellte, wurde ein Manifest ausgearbeitet, dessen erster Punkt lautet: “ Wenn wir eine bessere schaffen wollen, müssen wir bei uns selber beginnen.“ Und weiter: „ARK wird in all seinen Aktionen vom Prinzip geleitet werden, daß die Gesundheit der Erde und die des Menschen unzertrennlich sind. Erst wenn wir aufhören, die Erde zu mißbrauchen, werden wir zur Gesundheit zurückfinden und uns auf effektvolle Weise Problemen von Hunger, Krankheit und Not stellen können.“

So wurde ARK in zwei Flügeln konzipiert: Auf der einen Seite ist dessen erster es ein Informationsbüro, das die Öffentlichkeit Welt schaffen über Wege orientiert, im Kleinen mit Veränderungen zu beginnen. Auf der andern Seite will man mit ARK-Produkten, die bereits in diversen englischen Supermarkt-Ketten erhältlich sind, derartige Schritte unterstützen.

Die erste Krise wurde schon umschifft: Auf die Frage, was sie denn zur Rettung der Erde tun würde, hatte Chrissie Hynde scherzhaft gemeint: McDonalds niederbrennen. Zwei Tage später geschah tatsächlich ein Attentat auf McDonalds in Birmingham. „Das Mißverständnis wurde noch am selben Abend geklärt“, sagt Murray dazu: „Chrissie gehört nach wie vor zu ARK.“ Auf dieser Arche haben noch alle Platz. (Die ARK-Adresse: 498-500 Harrow Road, London W9 3QA, Tel. 00441/9686780)

Y 0 U S S 0 U N’DOUR SCHWARZ Wurzel wenn der enge Gabriel-Freund und welt-star in seiner afrikanischen Heimat den „Mbalax“ aufspielt, tanxt sogar sein Staatspräsident mit. Warum ihm seine Landsleute Bargeld auf die Bühne werfen, erfuhr ME/Sounds-Af rlka-Spexlalist Jean Trouillet in Bakau.

n Bakau lacht uns das Plakat überall an: „Die People’s Progressive Party (PPP) lädt ein zur großen Party aus Anlaß des 24. Geburtstages der Unabhängigkeit Gambias. Musik: Youssou N’Dour et le Super Etoile de Dakar von internationalem Ruhm.“

Nichts wie hin, um den durch Tourneen mit Peter Gabriel ins Rampenlicht gerückten Wunderknaben der senegalesischen Popmusik vor heimischem Publikum zu erleben. Pünktlich um 21 Uhr finden wir uns auf dem Handballfeld des „Independence“-Stadions ein. Viel zu früh, denn nur langsam füllt sich der Platz mit der ultra-chic gekleideten Jeunesse doree. Eine Tribüne, in den National-Farben geschmückt, wartet offensichtlich auf hohen Besuch.

Endlich — gegen Mitternacht — betritt die Band die Bühne und bringt im Handumdrehen die Stimmung zum Kochen. Die Jugend ergibt sich in Tänzen, deren komplizierten Figuren unsere europäischen Augen kaum folgen können. „Mbalax“ heißt der populäre Beat, zu dem die Frauen ihre Hinterteile rotieren lassen und die Männer wie wild Arme und Beine in die Luft werfen. Youssou erzählt mir später, wie amerikanische Kritiker bei Konzerten in den USA diese spektakuläre Tänze wahrgenommen haben: „Ich mußte lesen, die Choreographie unserer Tänze sei chaotisch. Die USA sind ein kompliziertes Land: Sie halten sich in jeder Hinsicht ßr die Stärksten und lassen einen dies auch spüren.“

0.30 Uhr: Mit Motorrad-Eskorte in pinkfarbenen Uniformen kommt ein schwarzer Bentley herangerauscht. Ihm entsteigen der Präsident Sir Dawda Jawara und seine Gattin. N’Dour unterbricht das Konzert und wartet, bis Seine Exzellenz Platz genommen hat. Ein Master of Ceremony erklärt langatmig den Ball für eröffnet. Mit einer Ballade zu Ehren des Propheten Mohammed setzt die Band das Programm fort. Nach einigen warmen Worten an den Ehrengast steigt N’Dour in seinen Super-Hit „Taaw“ ein. Für uns passiert das Unfaßbare: Der Präsident steht mit seiner Lady auf — und tanzt. The show goes on! Und das noch drei weitere Stunden.

Was seinen Erfolg bei seinen Landsleuten begründe, frage ich Youssou.

„Als ich mit Popmusik anfing, dachten die jungen Senegalesen, daß moderne Musik zwangsläufig europäische Arrangements bedeute. Sie dachten gar nicht daran, daß lokale Rhythmen durchaus mit moderner Musik vereinbarseien. Aberfür mich war gerade die afrikanische Perkussion der wichtigste Bestandteil der Musik. Also sah ich meine Rolle darin, Rhythmik in jedes Melodie-Instrument zu bringen.“

Es war aber nicht nur der revolutionäre stilistische Ansatz, der ihn in seiner Heimat populär machte, sondern auch seine einzigartige Stimme.

„Ich habe mit dem Singen sehr früh begonnen — ein Geschenk, das ich in die Wiege gelegt bekommen habe. Die Vorfahren meiner Mutter waren nämlich ,Gaulo‘, Hofsänger der früheren Feudal-Herrscher. Ich selber habe meine Mutter nicht oft singen gehört, ¿

denn sie hatte sich außerhalb ihrer Kaste verheiratet; mein Vater verbot deshalb, in der Öffentlichkeit zu singen.“

In dieser Region Afrikas ist es ein Privileg, Musik machen zu dürfen. Jeder Stamm hat seine eigene Musiker-Kaste. Sie unterhalten nicht nur die Gemeinschaft mit Musik, sondern tragen auch die Verantwortung, in einer „Schriftlosen Gesellschaft“ die jahrhundertealte Geschichte ihres Volkes aufzubewahren. Dieses uralte Wissen, in langen Epen abgespeichert, wird exklusiv von den Vätern auf die Kinder übertragen.

„Zum ersten Mal sang ich öffentlich bei einer ,Kassak‘-Zeremonie (das Fest, mit dem die Beschneidung der Knaben gefeiert wird).

Manchmal waren in einer Straße mehrere Feiern, und ich zog von einer zur anderen, sang ein, zwei Lieder und bekam eine Menge Geld.“

In Afrika ist es nicht üblich zu klatschen, wenn eine Darbietung besonders gefällt. Man demonstriert seine Begeisterung recht materialistisch durch Geldgaben. So ist es kein Wunder, wenn bei Popkonzerten Fans mit Geldscheinen die Bühne entern. Wer genug Geld hat, läßt sich mit dem Star von einem Fotografen ablichten.

Kaum von einem lokalen Produzenten entdeckt, schickte sich N’Dour an, die senegalische Musikszene zu revolutionieren. Nach einigen Jahren Bühnenroutine mit der „Starband“ stieg er mit den besten Musikern aus, um mit 18 Jahren eine eigene Band zu gründen, den „Etoile de Dakar“. Die jungen Musiker wollten ihre eigene Fusion aus traditionellen Rhythmen mit elektrifiziertem Sound wagen. Das Konzept war aus dem Stand erfolgreich.

Ein Wendepunkt in seiner Karriere sollte 1984 die Begegnung mit Weltmusik-Fan Peter Gabriel sein, die ihm einen internationalen Plattenvertrag einbrachte. „Ich hoffe, durch die Zusammenarbeit mit Künstlern wie ihm die Hörgewohnheiten auch westlicher Zuhörer aufzubrechen. Doch die Wurzel dieser Musik wird immer Afrika sein.“