Bad Company


Ihre LPs sind Fetzer, die sich wie warme Semmeln verkaufen. Bei ihren Konzerten ist der Teufel los. Gerade jetzt redet alle Welt über Bad Company

Auf ihrer gerade abgeschlossenen Deutschlandtournee stellten Bad Company erstmals die Songs ihrer dritten LP „Run With The Pack“ bei uns vor. Wir trafen die (inzwischen vor allem in Amerika längst zur Super-Group arrivierte) Band an einem Ort, an dem man Rock-Stars dieses Kalibers nicht unbedingt erwartet – auf der Ärmelkanal-Insel Jersey.

Dorthin hatte es die Gruppe verschlagen, nachdem sie zwischen einer US-Tour und der noch andauernden Konzertreise durch Europa gerade einen Festival-Auftritt in London hinter sich gebracht hatte. Englische Rockbands lassen sich heutzutage manchmal seltsame Tricks einfallen, um Mr. Wilsons unbarmherzigen S teuerbeamten ein Schnippchen zu schlagen. Warum der zum britischen Königreich gehörende State of Jersey steuerflüchtigen Engländern Asyl gewährt, konnten die Bad Company Boys uns selbst nicht so genau erklären. Vermutlich war ihr Insel-Trip eine Idee ihres Managers Peter Grant, der außer für Bad Company auch fürdiePretty Things, Led Zeppelin und Maggie Bell die Business-Zügel in dei Hand hält.

Im Sommer ’75 hatte Grant bereits Led Zeppelin für drei Monate zum Steuer-Urlaub auf das Kanal-Eiland geschickt. Jersey – Rangierbahnhof und Alptraum zugleich für britische Rockstars, die es in Kauf nehmen, nur sechzig Tage im Jahr als „Gäste“ ihr Heimatland betreten zu können, weil sie nur so verhindern, daß das Finazministerium der Queen zum fünfundneunzigprozentigen Teilhaber an ihren Gewinnen wird.

Es war also nicht weiter verwunderlich, wenn wir im Gespräch mit den ansonsten als pressescheu geltenden Jungs der Bad Company einmal detailliert erfuhren, mit welchen Gedanken und Problemen sich die Gruppe, herumschlägt, denn Interviews bedeuten im Moment für sie willkommene Abwechslung von der Langeweile.

Weil wir uns mit dem Bassisten Boz Burell (Ex-King Crimson), dem Gitarristen Mick Ralphs (Ex-Mott The Hoople) Rodgers (Vocals, Gitarre, Piano) und den beiden Ex-Free-Leuten gleichzeitig unterhielten, lief unSimon Kirke (Drums) sowie Paul

ser Interview eigentlich von Anfang an ähnlich wie eine TV-Talkshow ohne Fernsehkameras ab. Wir verzichteten bewußt auf vorformulierte Fragen und erhielten vielleicht gerade deshalb keine vorformulierten Antworten:

MICK: Wer ist eigentlich im Moment „in“ in Deutschland?

ME: Schwierige Frage. MICK: Doch nicht noch immer Uriah Heep und Deep Purple?

ME: Deep Purple schon, aber Uriah Heep sind inzwischen wohl schon ein bißchen weg vom Fenster.

PAUL. Gut so. Deep Purple sind ganz in Ordnung. Dufte Typen. Das Problem für uns ist, daß wir eigentlich nie so richtig wissen, was uns in „Europa“ erwartet. Ich weiß nicht einmal, wie populär wir in Deutschland sind.

ME: Geschmack und Mentalität sind eben überall etwas anders.

PAUL: Yeah, das ist in Frankreich, Deutschland, Holland und in jedem Land verschieden. Manchmal sind die Leute ganz schön steif. In England ist es auch wieder anders als in Amerika. Wenn wir in Amerika spielen, liegen oft größere Entfernungen zwischen unseren Auftritten als bei einer Europatournee, aber dort trifft man im Großen und Ganzen überall auf die gleiche Mentalität. Man braucht in Europa meistens nicht mehr als dreihundert Kilometer zurückzulegen, dann findet man bereits ziemlich unterschiedliche Verhaltensweisen. Die Europäer sind, glaube ich, bis heute noch Gefangene ihrer Traditionen. Jeder ist stolz auf seine nationalen Errungenschaften. Vor allem in Frankreich. Da sind sie so patriotisch, daß sie ihre international kaum bekannten Gruppen beinahe öfter im Radio vorstellen als die wirklich großen Bands.

BOZ: Das hat zum Teil natürlich auch mit der Sprachbarriere zu tun. Aber komisch sind sie trotzdem, die jungen Franzosen. Sie stehen unheimlich auf Pink Floyd, weil sie glauben, das sei wenigstens noch so eine richtige „Underground“-Band. Ironischerweise sind aber ausgerechnet die Jungs von Pink Floyd unheimlich geil aufs Geld, verstehst Du? Sind wir aber auf Tournee in Frankreich, dann glauben vor allem die Journalisten dort, daß wir nur gekommen sind, um Geld zu scheffeln – vermutlich, weil wir relativ einfachen Rock’n’Roll spielen. Die kriegen dort einfach alles in den falschen Hals.

ME: Was natürlich noch lange nicht heißen muß, daß Pink Floyd-Musik nicht gut ist und daß Geldverdienen für Rockmusiker nocht notwendig ist.

BOZ. Völlig richtig. Wenn ich zum Beispiel daran denke, wie sie in Deutschland bis vor kurzem noch die Konzerthallen stürmten und „free concerts“, Gigs zum Nulltarif, verlangten, dann denk‘ ich heute noch, fuck you, ich hab* schließlich zehn Jahre lang in kleinen Clubs und Kneipen gespielt und eigentlich nie ’ne Mark überbehalten. Ich will jetzt andlich mal was auf die hohe Kante legen, damit ich in einigen Jahren nicht emeut durchhänge. Das ist doch wohl noch fair, oder?

ME: Was für Erinnerungen habt ihr sonst noch an Deutschland?

BOZ: Oh, unsere letzte Tour ist gar nicht mal so schlecht gelaufen.

PAUL: Das Konzert in Frankfurt war sehr gut. An Hamburg kann ich mich nicht mehr sehr gut erinnern. Ich glaub‘, wir waren ein bißchen zu laut für die Halle da. Aber im allgemeinen kommen englische Bands ja beim deutschen Publikum meistens gut an. Die haben sich eben schon richtig an uns gewöhnt.

MICK: Die meisten Musiker der englischen Bands, die heute international erfolgreich sind, haben ja schon vor zehn Jahren, als sie noch unbekannt waren, in Deutschland gespielt. Wir sind schon damals in Hamburg aufgetreten. Seltsam, daß die Beatles auch da angefangen haben.

PAUL: Im Star-Club, und wie hieß der andere Club noch, Big Apple, ja, und Top Ten.

ME: Das Top Ten ist immer noch geöffnet, aber der Star-Club ist inzwischen geschlossen. Da gibt’s jetzt Sex-Shows.

PAUL: Die gab’s da damals auch schon, haha…

MICK: Auf dieser Tournee treten wir überhaupt nicht in Hamburg auf.

PAUL: Nein? Ich hab‘ noch keine Zeit gehabt, in meinen Plan zu sehen. Mein Gott, das hört sich so an, als wüßten wir nicht, was mit uns gespielt wird.

MICK: Wir haben ganz schön anstrengende Wochen hinter uns. Unsere letzte Amerikatournee ging bis kurz vor Weihnachten. Wir haben drei Monate in den Staaten gewohnt und dort unter anderem auch unser neues Album abgemischt.

ME: Wie habt ihr denn da gewohnt?

MICK: Wir haben an den Orten, in denen wir uns länger aufhielten, jeweils ein Haus gemietet. Länger als zwei, drei Tage kann man es in einem Hotel ja nicht aushalten.

ME: Dann dauert euer jetziger Aufenthalt auf Jersey, wo ihr im Hotel wohnt, also auch nicht allzulange.

PAUL: Ja. Simon fliegt morgen bereits für ein paar Tage nach Malta. Vermutlich werden wir alle da landen, bevor unser erster Europa-Gig in Brüssel beginnt. Wir wissen eben nicht, wo wir hin sollen. Nach England dürfen wir nicht. Da wären wir natürlich im Augenblick am liebsten. Zuhause in London, wo meine Frau mir den Tee kocht.

ME: Lohnt sich denn der ganze Aufwand überhaupt, nur um die hohen Steuern nicht bezahlen zu müssen? Schließlich geht, wie gesagt, euer Familienleben so ziemlich dabei drauf.

PAUL: Ich kann es mir einfach nicht leisten, fünfundneunzig Prozent Steuern zu bezahlen.

ME: Eure Situation ist also beinahe so dramatisch wie die, in der John Lennon jahrelang war.

MICK: Bei ihm spielten natürlich andere Gründe eine Rolle, aber am Ende läuft es auf dasselbe hinaus.

PAUL: 1975 war, was die Steuerabgaben betrifft, bisher das schlimmste Jahr für englische Bands. Wir verdienen zwar viel Geld, aber wenn der Staat fünfundneunzig Prozent davon einkassiert, dann bleibt nur soviel über, wie ich auch schon vor zehn Jahren verdient hab‘. Wenn ich es gut fände, was unsere Regierung da macht, dann hätte ich mich ja die ganzen Jahre überhaupt nicht anzustrengen brauchen. Wo kommen wir denn hin, wenn Ehrgeiz nicht mehr belohnt wird?

ME: Und warum wollt ihr unbedingt ehrgeizig sein, zumal euch das im Grunde genommen bisher nur mehr Stress und mehr Trouble eingebracht hat?

SIMON: Ehrgeiz ist eine gute Sache. Das lockt Dich aus der Reserve. Wenn Du ehrgeizig bist, dann traust Du Dich eher an Sachen ran, die Du sonst vielleicht nie angepackt hättest. Es steigert Deine Kreativität. Ganz egal, in was für einem Job Du bist.

PAUL: Ehrgeiz, das muß ja nicht heißen, daß Dir alle Mittel recht sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Diejenigen, die im Existenzkampf gegen Dich unterliegen, sollst Du natürlich nicht fertigmachen, wenn Du verstehst, was ich meine. Aber man sollte immer wissen, wo’s langgeht, man sollte alle Chancen nutzen, die man entdeckt.

BOZ: Na, wenn ihr vom ME nicht ehrgeizig seid, dann weiß ich’s nicht. Extra für dieses Interview hier nach Jersey zu fliegen, da gehört doch auch schon ’ne Menge dazu.

SIMON: Besonders mit British Airways, haha…

ME: Wie schätzt ihr euren Erfolg eigentlich selber ein? Wo seid ihr populärer, in England oder in Amerika?

PAUL: Schwer zu sagen. Vermutlich in den Staaten, obwohl unser Festival-Gig vor zwei Tagen in London ganz schön verrückt war.

BOZ: Amerika hat uns schneller entdeckt als England.

PAUL: In England war man wohl lange der Meinung, daß Bad Company nie so gut werden könnte wie die Gruppen, in denen wir vorher gespielt haben. Unsere alten, inzwischen aufgelösten Bands waren praktisch zu einer verklärten Legende geworden, gegen die wir ’ne gewisse Zeitlang machtlos waren. Anders in Amerika. Da hat man uns von Anfang an als eine neue Gruppe ne trachtet.

BOZ: Was nicht heißt, verdammt noch mal, daß ich mich wegen meiner Vergangenheit schäme. Im Gegenteil. Ich bin verflucht stolz darauf, zu einer so duften Band wie King Crimson gehört zu haben. Aber es nervt mich, wenn die Presse schreibt, so gut wie damals könnten wir nie wieder werden.

ME: Es ist also nicht unwichtig für euch, wie ihr in der Presse abschneidet, oder?

BOZ: Das ist mir scheißegal.

PAUL: Okay, ich sage ausnahmsweise mal, was ich wirklich darüber denke. Wir können schließlich nicht mehr tun, als eure Fragen richtig zu beantworten. Also, im Grunde genommen interessiert mich nur, daß ich bei unseren Konzerten beim Publikum gut ankomme.

ME: Aber können bekannte Journalisten euer Publikum nicht beeinflussen?

BOZ: Völlig richtig. Das ist nun mal das Kreuz, das man als Musiker zu tragen hat. Wenn ein Journalist uns mag, wird er sicher anders über uns schreiben, als wenn er uns nicht mag.

PAUL: Drum sollten uns die Presseleute wohl besser doch nicht völlig egal sein.

ME: Glaubt ihr, daß in den Zeitschriften am Ende immer auch das geschrieben steht, was ihr gesagt habt?

PAUL: Es kommt natürlich immer auch darauf an, daß die Journalisten, mit denen wir sprechen, verstehen, was wir meinen.

ME: Meinst Du, daß wir euch bei diesem Gespräch immer richtig verstanden haben?

PAUL: Wenn ihr etwas Falsches schreibt, gibt’s was aufs Maul. (Ein schelmisches Grinsen auf Pauls Gesicht verhindert, daß der ME-Reporter nicht gleich das Weite sucht.)

SIMON: Oh, ist euer Tonbandgerät schon die ganze Zeit eingeschaltet? Ja, dann haben wir natürlich alles nicht so gemeint. Dann möchte ich auch gleich darauf hinweisen, daß wir im Augenblick nicht die Pommes Frites essen, die ich gerade von nebenan aus der Snack-Bar geholt hab‘, sondern daß es sich natürlich um Kaviar handelt. Dieses dunkle Sprudelzeug, das wir hier trinken, iat natürlich auch keine Coca Cola, sondern original schwarzer Champagner, haha…