Beirut


Wenn sich ein 20-jähriger Amerikaner anhört wie ein 104jähriger Opa aus dem Ostblock, der Geschichten am Kachelofen erzählt, kann es schon mal passieren, dass Spekulationen um sich greifen. Zach Condon, der ursprünglich aus Albuquerque kommt und inzwischen in Brooklyn wohnt, hat offenbar ein großes Faible für osteuropäische Musik. Sein Debüt GULAG ORKESTAR klingt, als habe er die Geschichte der Polka bereits über Jahrzehnte mitgestaltet. Kein Wunder also, dass sich das Gerücht, seine Großeltern seien russische Einwanderer, die ihr halbes Leben in der Fabrik geschuftet haben, hartnäckig hält. Condon hat dafür nur ein freundliches Lächeln übrig: „Ich entstamme tatsächlich einer Einwandererfamilie“, sagt er, „doch meine Großeltern sind Iren und Niederländer. Das hat mit meiner Musik herzlich wenig zu tun.“

Zach Condon ist ein Einzelgänger, und er sucht sich seine Obsessionen am liebsten selbst aus. „Als ich klein war, wollte mein Vater unbedingt, dass ich ein Instrument spiele“, erinnert er sich. „Ergab mir eine Gitarre, ergab mir eine Trompete ich weigerte mich schlicht. Ich fand das alles total langweilig. “ Erst als er Stephin Merritt und die Magnetic Fields entdeckte, verspürte er Lust, selbst Songs zu schreiben. „Als ich jung war, war ich regelrecht besessen von den Magnetic Fields „, sagt er und lacht. Jetzt -mit seinen 20 Jahren -hat er sein Spektrum um einen ganzen Kulturkreis erweitert. Die Liebe zu den Magnetic Fields hört man jedoch noch immer durch. „Mein musikalischer Werdegang begann am Computer. Und irgendwann fand ich dann doch auch andere Instrumente spannend.“

Woher aber kam das plötzliche Interesse an der Polka? „Nun, wie gesagt, ich bin sehr stur“, sagt er grinsend. „Und das bezieht sich nicht nur darauf, Instrumente erst dann zu spielen, wenn ich persönlich einen Sinn darin sehe. Es führte auch dazu, dass ich einfach so gut wie nie zur Schule gegangen bin. Stattdessen bin ich durch Europa gereist und habe Augen und Ohren offen gehalten. Und in Paris traf ich einen serbischen Musiker, der mir all diese wunderbare Musik vorspielte. Obwohl ich kein Wort verstand-und in der Zwischenzeit gelernt habe, dass viele der Songs sich mit Belanglosigkeiten beschäftigen – traf diese Musik einen Nerv in mir.“ So schickte der notorische Schulschwänzer CD um CD nach Amerika und beschäftigte sich nach seiner Heimkehr intensiv mit ihnen. Irgendwann war er bereit, selbst zum Akkordeon zu greifen. Manche Menschen haben eben eine Gabe. Zach Condon gehört dazu. Wir anderen gehen lieber weiter zur Schule und hören ihm ein bisschen zu.