Bloc Party: Bewegen und bewegt werden


Zu viele und zu frühe Lorbeeren und allenthalben Querverweise: Bloc Party schwimmen sich trotzdem frei.

Es ist schon seltsam in Großbritannien: Noch bevor das alte Jahr vorbei war, wurde vom reißerischen New Musical Express bis zum seriösen Guardian von einer neuen Band geschwärmt, die in den Jahresabschluss-Listen 2005 weit oben stehen soll. Und das auf der eher armseligen Grundlage von einer EP und einer (zugegebenermaßen smashigen) Single. Die Jungs von der so gepriesenen Londoner Band Bloc Party wollen sich von dem Trubel nicht aus der Fassung bringen lassen. Sie sind schließlich nicht die ersten, die ein solches Echo im Königreich auslösen, und sie wissen, dass der mediale Rückschlag oft nicht lange auf sich warten lässt. Vor dem Interview blättern Sänger Kele Okereke und Schlagzeuger Matt Tong fast demonstrativ gelangweilt im NME, der sie als „hot act to follow“ anpreist, und nutzen die Gelegenheit, auf die britische Hype-Maschine zu schimpfen: „So bald man in England etwas Kreatives macht, muss man auch Erfolg haben. Sonst braucht man es in den Augen der anderen erst gar nicht zu probieren.“ Doch was sollen sie schon tun, außer durch die auf sie zurollende Welle durchzutauchen: „Besser so, als dass sich niemand für uns interessiert“.

Großmäulige Spruche kriegt man von dem 23jährigen Kele trotzdem nicht zu hören. Lieber erzählt er, was ihn in den letzten Jahren inspiriert hat. Erst durch DJ Shadow habe er verstanden, wie man durch Rhythmus Atmosphäre schaffen kann „und was ich auf der Tanzfläche in Clubs erlebt habe, gab mir mehr als irgendwelche Rockmusik“. Dieses Gefühl in seiner Musik zu transportieren, sei ihm wichtig „nur versuchen wir das eben mit traditionellen Instrumenten statt mit Computern“.

Nicht, dass das zwingend wäre, aber das Ergebnis heißt trotzdem Rock. Bei Bloc Party dominieren schneidende Gitarrenriffs, Keles quengelnde Stimme erinnert an Robert Smith, und auch der treibende Beat klingt eher nach einer zeitgemäßen Interpretation post-punkiger Gitarrenmusik als nach einer Klangtapete für entrückte Raver. Doch Bloc Party verstehen sich als ein für viele Einflüsse offenes System, und Kele – obwohl er die Songs schreibt und glaubt, „dass die nächste Platte elektronischer klingen wird“ gehört eben nur eine von vier Stimmen. Und was die anderen drei alles umtreibt: Bassist Gordon Moakes mag klassischen Indie-Sound: Suede und die Smashing Pumpkins stehen auf seiner Hitliste. Gitarrist Russell LisSie klingen eben nicht wie der dritte Aufguss des New-Wave-Revivals sack ist Hardcore-Fan. Und Matt schwärmt Kele von Can vor, womit der aber nichts anzufangen weiß: „Ich finde ihre Musik anstrengend, auch wenn sich jeder auf diese Band beruft“. Dafür verehrt er Dämon Albarn, dessen Band Blur für ihn die musikalische Initialzündung war. Spätestens als Matt auch noch Supertramp ins Spiel bringt, wird klar, dass es bei Bloc Party nicht um Distinktionsgewinn geht. Ihr Erfolgspotenzial besteht eher darin, ihre unterschiedlichen Leidenschaften in einen produktiven Wettbewerb zu bringen.

Wenn es um die eigenen Songs geht, sind sie sich allerdings einig, ihre aktuelle Single, das rhythmisch komplexe, trotzdem eingängige „Helicopter“ repräsentiere die zukünftige Richtung, während der gradlinige, etwas schroffe Eröffhungssong „Like Eating Glass“ für ihre Anfänge steht. Und von allen Songs auf dem Album-Debüt silent alarm bringe „Pioneer“ das Wesen von Bloc Party am ehesten auf den Punkt.

Als Suche nach Essenz: So könnte man auch ihr musikalisches Projekt beschreiben. Dafür pflügen sie die letzten 25 Jahre um – auch wenn das meiste davon nicht mal der Soundtrack ihrer Jugend ist. Weil sie zu jung sind. So erklärt sich auch, dass Bands wie Joy Divison oder auch Sonic Youth – an die fühlen sich über 30-jährige erinnert, wenn sie Bloc Party hören – Kele nicht viel bedeuten: „Gang of Four zum Beispiel kannte ich gar nicht, bevor alle Welt sagte, dass wir wie sie klingen. Was ich dann gehört habe, fand ich zwar ganz gut – aus akademischem Interesse. Wirklich angerührt hat es mich nicht.“ So läuft das bei Bloc Party: Sie wollen von der Musik bewegt werden, um mit dem, was hängen bleibt, andere zubewegen. Gemeinsam auf der Suche nach dem größten gemeinsamen Nenner – in dieser Herangehensweise liegt der Charme von Bloc Party. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, dass sie trotz ihres vertraut wirkenden Sounds nicht wie der dritte Aufguss des New Wave-Revivals, wie die nächsten Franz Ferdinand, klingen. Wenn sie sich in keine Schublade stecken lassen, landen sie vielleicht nicht unter der Lawine, die gerade auf sie zustürzt.

www.blocparty.com